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Der Ersatzurlaub als Schadensersatz unterliegt keinen Ausschlussfristen

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Der Fall

Der Arbeitnehmer war seit dem 01.05.2017 in einer 5-Tage-Woche beschäftigt (Monatsverdienst: 4.200,– brutto). In dem Arbeitsvertrag waren u. a. folgende Regelungen enthalten: § 6 Ziff. 3: „Der Urlaub ist in dem jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen. Ist dies nicht möglich, kann der Urlaubsanspruch auf das nächstfolgende Kalenderjahr übertragen werden und ist dann bis spätestens 31.03. zu nehmen. Ist der Urlaub bis dahin, gleich aus welchem Grund, nicht genommen, verfällt der Anspruch.“ In § 22 Ziff. 3 war eine zweistufige Verfallklausel vereinbart. – Im Jahr 2015 nahm der Arbeitnehmer vier Tage Urlaub. Nachdem er Ende Juli 2015 eine Änderungskündigung mit Wirkung zum 31.10.2015 erhalten hatte, erhob er Kündigungsschutzklage und stellte sogar einen Auflösungsantrag. Am 04.12.2015 verlangte der arbeitsfähige Arbeitnehmer per Telefax vorsorglich Urlaub, ohne dass der Arbeitgeber darauf einging.

Der Arbeitnehmer gewann den Kündigungsschutzprozess – aber sein Auflösungsantrag wurde zurückgewiesen. Dieses Ergebnis aus einem Teilurteil wurde rechtskräftig – und der Arbeitnehmer entschied sich gegen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem alten Arbeitgeber. Daher machte er von seinem Verweigerungsrecht nach § 12 KSchG Gebrauch. Die Folge war, dass das Arbeitsverhältnis am 12.04.2016 endete.

Der Zankapfel (Ersatz-)Urlaubsabgeltung

Was blieb, war der Konflikt um die Urlaubsabgeltung für 18 Tage Ersatzurlaub für das Jahr 2015. In seinem Schlussurteil sprach das Arbeitsgericht dem Arbeitnehmer eine Urlaubsabgeltung von 3.489,23 € brutto zu. Berufung- und Revisionsinstanz bestätigten dieses Urteil zu Gunsten des Arbeitnehmers:

Der Arbeitnehmer sei arbeitsfähig gewesen – und er habe mit dem Telefax im Dezember 2015 seinen Urlaub rechtzeitig verlangt. Auf eine etwaige Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers, die in dem Urteil angedeutet wird (Urteil des BAG vom 19.06.2018 – 9 AZR 615/17, Rn. 18), kam es also nicht an.

Acht Monate später – am 19.02.2019 – präzisierte das BAG seine Rechtsprechung zu § 7 Abs. 3 BUrlG in vier Urteilen dahingehend, dass es eine Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers bejahte, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – aufzufordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub nach Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraumes verfällt, wenn er ihn nicht beantragt (BAG vom 19.02.2019 – u.a. 9 AZR 541/15).

Das BAG wertete den Urlaubsanspruch auch als erfüllbar. Allein die objektive Rechtslage sei dafür entscheidend. Der (unbegründete) Auflösungsantrag spiele keine Rolle.

Urlaubsgewährung während des Prozesses als Option des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hätte trotz der aus dem Prozess folgenden Ungewissheit den offenen Urlaub gewähren können; er hätte für den Fall, dass die streitige Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2015 beendete, (hilfsweise) bestimmen können, dass mit dem Urlaubsentgelt auch ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch erfüllt wird.

Dazu muss man folgendes wissen: Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis – egal ob mit oder ohne Kündigungsfrist -, und greift der Arbeitnehmer diese Kündigung fristgerecht vor dem Arbeitsgericht an, dann besteht hinsichtlich der Beendigung bis zum rechtskräftigen Urteil des Gerichts eine Unsicherheit. Diese beruht darauf, dass der Arbeitgeber meint, seine Kündigung sei wirksam – und der Arbeitnehmer von dem Gegenteil überzeugt ist. Was richtig ist, weiß man erst hinterher. Nun wird aber „vorwärts gelebt, und rückwärts verstanden“ – dieser weise Ausspruch gilt auch in jeder Prozesssituation. Erst wenn das Gericht entschieden hat (oder sich die Parteien verglichen haben), weiß man, wer Recht gehabt hat bzw. wie die Fakten sind.

„Vorwärts wird gelebt, rückwärts wird verstanden!“

Für den Arbeitgeber folgt aus dieser ungewissen Lage (beim Vorwärtsleben) die Notwendigkeit, sich über die verschiedenen Szenarien Gedanken zu machen – und letztlich zu entscheiden, wie man vorgehen will. Eines ist sicher: Der vereinbarte Urlaub muss erfüllt werden – entweder während des Arbeitsverhältnisses durch bezahlte Freistellung von der Arbeit oder nach Beendigung durch Auszahlung (sog. Abgeltung). Wie man sich entscheidet, ist jedem selbst überlassen. Häufig tendieren Arbeitgeber dazu, sich passiv zu verhalten, weil sie insgeheim hoffen, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers verfällt – so war es auch in dem Fall hier. Aber führte das hier auch zu dem gewünschten Erfolg?

Verfall des Urlaubs zum Jahresende 2015 – war’s das jetzt?

Unstreitig hatte es keine Urlaubsgewährung des restlichen offenen Urlaubs im Jahr 2015 gegeben. Infolgedessen verfiel dieser Resturlaub zum 31.12.2015. Was viele nicht wissen: Nicht genommener Urlaub im laufenden Urlaubsjahr wird nur unter bestimmten Voraussetzungen in das erste Quartal des Folgejahres übertragen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG); das ist also kein Selbstgänger. Diese gesetzlichen Voraussetzungen lagen nicht vor. Und konnte dem Arbeitgeber die besondere Übertragungsregelung in § 6 des Arbeitsvertrages helfen? Nein, denn diese Klausel sah das BAG als intransparent und damit unwirksam an: Sie würde die Übertragungsgründe für den gesetzlichen Mindesturlaub eindampfen, was eine unzulässige Abweichung vom Gesetz sei. Eine geltungserhaltene Reduzierung der Klausel auf den vertraglichen Mehrurlaub komme wegen des Transparenzgebots nicht in Frage (Rn. 29).

Allerdings hatte der Arbeitnehmer mit dem Telefax vom 04.12.2015 einen Rest-Urlaub von 18 Tagen (gerechnet vom 07.12. bis zum 31.12.) rechtzeitig verlangt. Der Arbeitgeber befand sich damit für diese 18 Tage in Verzug – und in Folge des Verzuges wandelte sich der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Schadensersatzanspruch um (§§ 275 Abs. 1, Abs. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, 287 Satz 2, 249 Abs. 1 BGB). Die Frage lautete nun:

Unterfällt ein Ersatzurlaubsanspruch einer vereinbarten Ausschlussfrist?

Zweistufige Ausschlussfristen sind in Arbeitsverträgen nichts Ungewöhnliches – und wenn sie richtig formuliert sind, sind sie auch ein wirkungsvolles Instrument gegen die Ansprüche der Gegenseite, siehe dazu unten „Fazit“. Hier ging es um die vertraglichen Ausschlussfristen in § 22 Nr. 3 des Arbeitsvertrages. Legte man diese Ausschlussfristen zu Grunde, wäre das Einfordern des Ersatzurlaubs zu spät gewesen. Der Arbeitgeber hätte sich noch nicht einmal darauf berufen müssen (wie es bei der Einrede der Verjährung erforderlich ist), weil es sich um eine rechtvernichtende Einwendung handelt. Der Arbeitnehmer hatte aber Glück. Das BAG entschied, dass der Ersatzurlaub als Schadensersatz an sich nicht verfallen konnte, § 249 Abs. 1 BGB (Rn. 45 ff.). Das folge aus dem Prinzip der Naturalrestitution, d.h., der Arbeitnehmer wird so gestellt, als hätte er die Frist gewahrt.

Letzte Hürde: Kann der Abgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch einer Ausschlussfrist unterfallen?

Damit war der Fall noch nicht zu Ende. Es galt, noch eine letzte Hürde zu nehmen. Denn der Ersatzurlaub konnte wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden. Dieser hatte sich gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Und dieser reine Geldanspruch hätte wiederum aufgrund der vertraglichen Ausschlussfristen verfallen können (Rn. 52) – wenn nicht das BAG auch diese Klausel als intransparent und damit unwirksam aus dem Feld geräumt hätte (Rn. 54). Hier war es so, dass nach Auffassung des BAG der Beginn der ersten und zweiten Stufe nicht klar und eindeutig geregelt worden war.

Fazit

Der Ersatzurlaub als Schadensersatz (= Arbeitgeber weigert sich, den Urlaub zu gewähren, d.h., er befindet sich in Verzug; Urlaub verfällt) unterliegt keinen Ausschlussfristen; bei Beendigung droht aber bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung der Verfall des Abgeltungsanspruches dieses Ersatzurlaubs. Das sind also zwei unterschiedliche Gegenstände: der eine Gegenstand ist der Ersatzurlaub – der andere der Abgeltungsanspruch. An diesem Punkt müssen Arbeitnehmer aufmerksam – und vor allem schnell sein! In jedem Fall ist es ein Muss, sich über bestehende (tarif-)vertragliche Verfallfristen zu informieren.

Arbeitgebern kann generell empfohlen werden, in ihren Arbeitsvertragsmustern darauf zu achten, dass sauber zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Mehrurlaub unterschieden wird. Da gibt es viel Gestaltungsspielraum. Auch der AGB-Kontrolle ist höchste Aufmerksamkeit zu widmen. Mit einer transparenten Ausschlussfristenklausel hätte der Arbeitgeber die Bezahlung der Abgeltung vermeiden können.

Näheres dazu und weitere Tipps auch in meinen E-Books „Urlaubsrecht für Arbeitgeber“ / „Urlaubsrecht für Arbeitnehmer“!

Wenn Sie mit mir persönlich zu Ersatzurlaub als Schadensersatz und sprechen möchten, freue ich mich über einen persönlichen Kontakt.

Kontaktieren Sie mich gern!

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Meine Person

+ Jahrgang 1968
+ Rechtsanwalt seit 1997
+ Fachanwalt für Arbeitsrecht seit 2001
+ Notar seit 2006

Arnim Buck • Fachanwalt für Arbeitsrecht, Notar & Autor

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