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Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament – Was ist für Ehegatten besser geeignet? 

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Sie planen mit Ihrem Ehegatten Ihr Vererben. Wer soll Ihr Erbe sein? Wer soll was bekommen? Als sei der zu formulierende Inhalt Ihrer letztwilligen Verfügung nicht schon herausfordernd genug, stellt sich immer die Frage, wie Sie diese verpacken wollen – in einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament? Was ist für Ehegatten besser geeignet? Nicht zu vergessen ist auch noch die dritte Möglichkeit, zwei Einzeltestamente zu errichten. Aber wäre das eine gute Idee?

Ehegatten haben die Qual der Wahl. Informieren Sie sich hier über die Vor- und Nachteile dieser drei Gestaltungsformen: Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament und Einzeltestament. Welches ist für Ehegatten besser geeignet. Sie erfahren in diesem Blog-Artikel alles Wissenswerte zu diesem Thema und erhalten so eine auf belastbaren Fakten beruhende Entscheidungsgrundlage.

Vorbemerkung:

Nach meiner Beobachtung können sich fast alle unter einem Testament etwas vorstellen. Ein Blatt Papier, auf dem der Erblasser seinen letzten Willen frei formuliert hat. Das ist beim Erbvertrag anders. Dieser ist weitgehend unbekannt. Der Erbvertrag führt daher in der Praxis ein Schattendasein. Dabei ist er alles andere als nur ein exotisches Nischenprodukt für Spezialfälle und/oder Gutbetuchte, sondern aus notarieller Sicht im Vergleich zum gemeinschaftlichen Testament häufig die bessere Wahl.

Um eines vorwegzunehmen: Durch bestimmte gestalterische Kniffe können Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament in ihren Wirkungen weitgehend angenähert werden. Das wird in der Praxis auch regelmäßig so umgesetzt. Leider gibt es den weit verbreiteten Irrtum (auch unter Juristen), die Wirkungen wären gleich. Das ist falsch. Es bleiben kleine, aber feine Unterschiede, die Sie als Erblasser kennen sollten, um gemeinsam mit Ihrem Ehegatten und ggf. Ihrem Anwalt/Notar die für Ihren Fall richtige Wahl zu treffen.

Wiederholungen sind in diesem Blog-Artikel beabsichtigt. Einige Unterschiede zwischen Erbvertrag und gemeinschaftlichem Testament sind eben nicht nur ein Vorteil, sondern gleichzeitig ein Nachteil – je nach Perspektive. Das gilt auch für das Einzeltestament. In den Info-Boxen sind nützliche zusätzliche Informationen enthalten; wer schon Bescheid weiß, kann sie überlesen.

Alle nachfolgenden Darstellungen der Vor- und Nachteile der einzelnen „Verpackungsformen“ Ehegattenerbvertrag, gemeinschaftliches Testament und Einzeltestament, der Beispiele, der Info-Boxen und Tipps/Hinweise erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich nicht. Der Inhalt dieses Blog-Artikels kann und soll keine fachkundige Beratung im Einzelfall ersetzen. Wenden Sie sich daher bitte für Ihren konkreten Fall an einen fachkundigen Rechtsanwalt (Fachanwalt für Erbrecht) oder Notar Ihres Vertrauens, wenn Sie das für erforderlich halten

Nur der guten Ordnung halber weise ich darauf hin, dass Rechtsanwälte und Notare Dienstleistungen erbringen, die Vergütungspflichten nach sich ziehen können.

Inhaltsverzeichnis

1. Was ist ein Testament?

Mit einem Testament kann der testierfähige Erblasser die gesetzliche Erbfolge ändern, wenn er das möchte. In vielen Fällen geht es nur darum, die gesetzliche Erbfolge zu bekräftigen und so jegliche Missverständnisse unter den Angehörigen auszuschließen. Oder den gesetzlichen Erben mit Hilfe eines notariellen Testaments einen schnelleren Erbnachweis zu ermöglichen. Letztlich kann der Erblasser mit Hilfe eines Testaments sein Vererben ganz oder teilweise regeln. Es geht um die Verteilung des Nachlasses.

Z. B. kann der Erblasser in dem Testament bestimmen, wer sein Erbe („Rechtsnachfolger“) werden soll – dieser erhält dann den gesamten Nachlass; er könnte sich aber auch auf z. B. ein Vermächtnis beschränken. Mit dem Vermächtnis würde der Erbe beschwert werden, d. h. der Erbe müsste das Vermächtnis erfüllen.

Für Eheleute gibt es die besondere Gestaltungsform des gemeinschaftlichen Testaments. Sie können in ein- und demselben Dokument ihren letzten Willen zu Papier bringen.

Bei der Errichtung eines Testaments sind bestimmte Formvorschriften zwingend zu beachten. Der Erblasser muss das Testament eigenhändig schreiben – und zwar leserlich. Eine Ausnahme gilt beim gemeinschaftlichen Testament: Der eine Ehegatte kann das Testament schreiben – und beide Ehegatten unterschreiben.

Wird gegen diese Formvorschriften verstoßen (z. B. schreibt der Erblasser seinen letzten Willen mit der Schreibmaschine = Verstoß gegen die Eigenhändigkeit), ist das Testament nichtig.

Daneben gibt es Formvorschriften, die nicht notwendig sind, aber laut Gesetzgeber eingehalten werden sollen: So soll der Erblasser Ort und Datum der Errichtung auf dem Testament vermerken. Ferner soll die Unterschrift Vor- und Nachnamen umfassen.  Wer sich daran hält, erspart seinem Erben möglicherweise spätere Diskussionen um die Wirksamkeit der Verfügung (vor allem um deren Ernstlichkeit).

Testamente können nicht nur privatschriftlich, sondern auch vor dem Notar errichtet werden. Der Erblasser kann also wählen. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Nottestamente (Bürgermeistertestament; Dreizeugentestament) möglich.

Der Erblasser kann sein Testament jederzeit widerrufen. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen, z. B. durch ein Widerrufstestament oder durch Vernichtung der letztwilligen Verfügung,

2. Was ist ein Erbvertrag?

Auch in einem Erbvertrag kann der Erblasser die gesetzliche Erbfolge ändern. Allerdings gibt es gegenüber dem Testament drei Besonderheiten:

  • Die erste Besonderheit ist, dass ein Erbvertrag mindestens zwischen zwei Personen geschlossen werden muss. Es können auch mehr Personen sein (z. B. Eltern und ihre Kinder). Die Vertragspartner müssen aber nicht miteinander verwandt sein (z. B. Lebensgefährten). Auch Ehegatten können einen Erbvertrag abschließen. Wenn sich beide Ehegatten in einem Erbvertrag verbindlich gegenseitig zu Erben einsetzen, spricht man von einem gegenseitigen Ehegattenerbvertrag.

  • Die zweite Besonderheit ist, dass sich einer der Vertragspartner als Erblasser mindestens mit einer vertragsgemäßen Verfügung von Todes wegen gegenüber dem anderen Vertragspartner binden muss. Deswegen ist es auch nicht möglich, dass eine Abänderungsmöglichkeit aller vertragsgemäßen Verfügungen vereinbart wird.  Juristen nennen das „Verbot des Totalvorbehalts“.
    Ansonsten kann der Erbvertrag wie ein Testament sehr flexibel gestaltet werden. Die Vertragspartner können im Erbvertrag neben vertragsgemäßen (bindenden) Verfügungen auch einseitig Bestimmungen über ihren Nachlass treffen, die – im Gegensatz zu den vertragsgemäßen Verfügungen – keine Bindungswirkung entfalten und somit von dem Erblasser frei widerrufen werden können.


Beispiel
: Die Ehegatten haben beide nur Kinder aus früheren Beziehungen: Sie setzen jeweils ihre Kinder zu Erben ein (einseitig, daher frei widerruflich) – und als vertragsgemäße Verfügung vereinbaren sie untereinander Vermächtnisse, wonach etwa der Längstlebende den Hausrat und ein lebenslanges Nießbrauchrecht an einer bestimmten Immobilie erhält (gegenseitig, also bindend).

  • Eine weitere Besonderheit ist, dass der Erbvertrag vor einem Notar beurkundet werden muss. „Noterbverträge“ gibt es daher nicht.

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3. Welches sind die wichtigsten Unterschiede zwischen Ehegattenerbvertrag und gemeinschaftlichen Testament?

Ein gemeinschaftliches Testament ist ausschließlich Verheirateten vorbehalten, wohingegen der Erbvertrag eine solche Einschränkung nicht kennt. Jeder kann mit jedem einen Erbvertrag errichten (z. B. Ehegatten; Verlobte; Geschwister; Eltern mit Kindern). Ehegatten haben damit die Qual der Wahl, alle anderen nicht. Denen bleibt nur der Erbvertrag und/oder die Errichtung von Einzeltestamenten.

In einem Erbvertrag muss mindestens eine vertragsgemäße Verfügung von Todes wegen enthalten sein, die von dem anderen Vertragsteil angenommen wird.

Das können nur vier Dinge sein: Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwenden Erbrechts. Alles andere sind zwingend einseitige Verfügungen.

Das ist Ausdruck des sog. Verbots des Totalvorbehalts, das ausschließlich für Erbverträge gilt. Theoretisch ist es also möglich, dass neben der einen zwingend erforderlichen vertragsgemäßen Verfügung keine weiteren Verfügungen oder nur noch einseitige Verfügungen der Vertragsschließenden in dem Erbvertrag enthalten sind.

Der Unterschied besteht in der Bindungswirkung: Vertragsgemäße letztwillige Verfügungen sind verbindlich („bindend“), einseitige Verfügungen sind hingegen unverbindlich, d. h., sie sind zu jederzeit durch den Erblasser frei abänderbar und widerruflich. Das schließt ein heimliches Vorgehen ein.

Die vertragsgemäße Verfügung in einem Erbvertrag kann zugunsten des anderen Vertragsschließenden (z. B. Ehegatten) oder eines Dritten (z. B. ein Stiefkind) erfolgen. Sie muss nicht zwingend gegenseitig sein. Wie gesagt, eine vertragsgemäße Verfügung nur eines Ehegatten reicht aus (sog. einseitiger Erbvertrag). Das kann mit einer Einbahnstraße verglichen werden.

Als Erblasser wird derjenige Ehegatte bezeichnet, der selbst eine letztwillige Verfügung vornimmt. D. h., beim einseitigen Erbvertrag ist nur derjenige Ehegatte, der die vertragsgemäße Verfügung vornimmt, als Erblasser anzusehen. Der andere Ehegatte ist nur als Vertragspartner, der diese Verfügung annimmt, beteiligt.

Möglich ist auch, dass die Ehegatten einen zweiseitigen Erbvertrag abschließen, in dem jeder von ihnen vertragsgemäße Verfügungen vornimmt. Beide sind dann Erblasser. Ein Sonderfall des zweiseitigen Erbvertrags ist der gegenseitige Erbvertrag.

Beispiel 1: einseitiger Erbvertrag: Der kinderlose Herr Rudi Müller vermacht im Rahmen eines Vermächtnisses seinem Stiefkind Kevin eine bestimmte Immobilie. Seine Ehefrau Hildegard Müller geb. Gier nimmt diese Verfügung ihres Ehemannes Rudi an. Mehr vereinbaren die Eheleute Müller nicht.

Beispiel 2: gegenseitiger Ehegattenerbvertrag: Der Erstversterbende der Ehegatten setzt den Längstlebenden zum alleinigen Erben ein. Auf den Tod des Längstlebenden bestimmen sie den Sohn der Ehefrau, Kevin Müller, zum Erben (sog. Schlusserbe). Beide Eheleute nehmen die Verfügung des jeweils anderen an.

Jedem zweiseitigen Erbvertrag haftet zunächst kraft gesetzlicher Vermutung die Wechselbezüglichkeit an: Alle vertragsgemäßen Verfügungen (nicht die einseitigen Verfügungen!) hängen voneinander ab. Sie stehen und fallen miteinander („Domino-Effekt“).

Wechselbezüglich bedeutet, dass die von beiden Vertragsteilen (Eheleuten) getroffenen vertragsgemäßen Verfügungen beim Erbvertrag in ihrer Gültigkeit voneinander abhängen. Sollte eine vertragsgemäße Verfügung nichtig sein oder einer der Eheleute einen sich vorbehaltenen Rücktritt erklären, hat das die Unwirksamkeit aller vertragsgemäßen Verfügungen zur Folge („Domino-Effekt“).

Die gesetzliche Vermutungsregelung kann widerlegt werden. Das Fehlen der Wechselbezüglichkeit wird als Ausnahme angesehen; wer sich darauf beruft, muss diese Ausnahme darlegen und beweisen.

Wer den Domino-Effekt nicht will, kann die Unabhängigkeit der einzelnen Verfügungen voneinander – vor allem für den häufigsten Fall der Gegenstandslosigkeit einer Verfügung – ausdrücklich vereinbaren.

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Anders als in einem Erbvertrag können Eheleute In einem gemeinschaftlichen Testament nur einseitige Verfügungen treffen, die sie jederzeit frei (und heimlich) abändern oder sogar widerrufen können. Allerdings muss im Gegensatz zum Erbvertrag in dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament von jedem Ehegatten mindestens eine Verfügung – egal ob einseitig oder wechselbezüglich – enthalten sein.

Auch beim gemeinschaftlichen Testament gibt es hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit eine gesetzliche Vermutungswirkung, die allerdings im Vergleich zum Erbvertrag von geringerem Umfang ist: Sie reduziert sich nur auf Verfügungen, in denen sich die Eheleute wechselseitig oder Verwandte oder sonstige Nahestehende des Erstversterbenden begünstigen. Zur Wiederholung: Beim Erbvertrag wird vermutet, dass alle vertragsgemäßen Verfügungen wechselbezüglich sind.

Vor der gesetzlichen Vermutungswirkung sollten testierende Ehegatten Respekt haben. Wechselbezüglichkeit bedeutet beim gemeinschaftlichen Testament:

a) Abhängigkeit der betroffenen Klauseln voneinander und

b) Bindungswirkung ab dem Tod des ersten Ehegatten.

Mit Hilfe von Abänderungs- und Freistellungsklauseln könnte das im Rahmen der Testamentsgestaltung umgangen werden.

Beispiel 3: Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament: Beide Ehegatten haben gemeinsame (erwachsene) Kinder; weitere Kinder gibt es nicht. Sie setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein und auf den Tod des Längstlebenden ihre Kinder entsprechend den Regeln über die gesetzliche Erbfolge (Einheitslösung in Form des „Berliner Testament“). Zur Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen verlieren sie in dem Testament kein Wort. Letzteres ist der Klassiker bei privatschriftlichen Ehegattentestamenten, die ohne rechtliche Beratung formuliert werden.

Kraft Gesetzes wird in dem Beispiel vermutet, dass sämtliche Verfügungen – also die wechselseitige Erbeneinsetzung und die Bestimmung der gemeinsamen Kinder als Schlusserben – wechselbezüglich sind.

Nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts können wechselbezüglich sein, d. h. nur sie können miteinander „stehen und fallen“ (Domino-Effekt). Zum Erbvertrag: siehe oben Info-Box Nr. 1.

Die Bindungswirkung der vertragsgemäßen Verfügung in einem Erbvertrag setzt bereits mit Beurkundung ein; deswegen wird in den meisten Erbverträgen ein Rücktrittsrecht vereinbart, um eine garantierte Ausstiegsmöglichkeit aus dem Vertrag zu haben.

Die Bindungswirkung der Wechselbezüglichkeit bei einem gemeinschaftlichen Testament beginnt hingegen erst mit dem Tod des ersten Ehegatten. Bis dahin kann jeder Ehegatte das gemeinschaftliche Ehegattentestament auch einseitig widerrufen.

Jeder Ehegatte kann jederzeit seine sämtlichen (auch wechselbezüglichen) Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament einseitig widerrufen. Dabei ist zu beachten, dass

a) der Widerruf notariell beurkundet werden, und

b) dem anderen Ehegatten die Ausfertigung der beurkundeten Widerrufserklärung zugestellt werden muss.

Nach dem Tod des ersten Ehegatten kann der Längstlebende nicht mehr widerrufen.

Komplizierter sind die Fälle, wo der andere Ehegatte zum Zeitpunkt des Widerrufs noch lebt, aber geschäftsunfähig ist. Für die Zustellung der Ausfertigung wird ein sog. Zugangsvertreter benötigt. Das kann z. B. ein Betreuer sein, dessen Aufgabengebiet sich auf vermögensrechtliche Angelegenheit (darunter fällt auch die Entgegennahme von Willenserklärungen) bezieht.

Der Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments deutet auf Drama hin. Die Eheleute ziehen nicht mehr an einem Strang. Es kann aber auch andere Gründe geben. Etwa bedingt durch gesundheitliche Schicksalsschläge hat sich die Vorstellung des Widerrufenden von dem Vererben verändert. Sind sich die Eheleute zu Lebzeiten einig und jeweils voll geschäftsfähig, können sie jederzeit gemeinsam sowohl das gemeinschaftliche Testament als auch den Erbvertrag ändern oder aufheben.

Bekanntlich gibt es viele Wege, die zum Ziel führen. Es liegt auf der Hand, dass die Ehegatten z. B. ein reines Widerrufstestament errichten können, in der sie ein bestimmtes gemeinschaftliches Testament und die darin enthaltenen Verfügungen gemeinsam aufheben. Es muss aber nicht immer so förmlich zugehen, es geht auch rustikaler: Ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament kann aus der Schublade einvernehmlich genommen und vernichtet (zerrissen) werden. Ist das Testament beim Nachlassgericht hinterlegt, kann es nur von beiden Eheleuten aus der amtlichen Verwahrung zurückgenommen werden. D. h., das Gericht darf das Testament nur persönlich an den oder die Erblasser herausgeben. Eine Stellvertretung ist insoweit nicht möglich. Auch ein Notar kann das nicht für Sie erledigen. Die Rücknahme gilt als Widerruf.

Greift die Bindungswirkung – bei dem Erbvertrag mit Beurkundungsabschluss, bei dem gemeinschaftlichen Testament mit dem Tod des ersten Ehegatten – kann der Erblasser praktisch nichts mehr ändern. Sogar die spätere Anordnung einer Testamentsvollstreckung ginge nicht mehr. Die Bindung wirkt also wie ein Schutzschild, an der die späteren Verfügungen des Erblassers abprallen.

Das bedeutet auch, dass der Schutz eines etwaig verbindlich eingesetzten Schlusserben („Vertragserbe“) beim gemeinschaftlichen Testament später eintritt als beim Erbvertrag:

Bei einem Erbvertrag ist der Vertragserbe vor ihn absichtlich benachteiligenden Veräußerungen bereits mit Beurkundungsabschluss geschützt. Benachteiligungsabsicht liegt vor, wenn der schenkende Erblasser kein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hat. Dieser Schutz bedeutet, dass der benachteiligte Vertragserbe beim Anfall der Erbschaft von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen kann.

Bei dem gemeinschaftlichen Testament greift dieser Schutz erst mit Eintritt der Bindungswirkung, d. h. zum Zeitpunkt des Todes des ersten Ehegatten. Zwischen dem Errichten des Testaments und dem ersten Todesfall können viele Jahre liegen – und dementsprechend lange ist der Vertragserbe ungeschützt. (siehe hierzu auch meinen Blog-Artikel „Beeinträchtigende Schenkung durch den Erblasser: Die Ausgleichspflicht des beschenkten Vertragserben gegenüber dem anderen Vertragserben“).

Siehe hierzu auch meinen Blog-Artikel: Ausgleichspflicht des beschenkten Vertragserben

Die Willenserklärungen der Parteien eines Erbvertrages werden – wie bei allen Verträgen – anhand des objektiven Erklärungsinhalts ausgelegt; beim gemeinschaftlichen Testament ist der Maßstab ein anderer. Dort kommt es auf den gemeinsamen (subjektiven) Willen der Eheleute an.

Ein Erbvertrag muss notariell („öffentlich“) beurkundet werden; ein Ehegattentestament kann nicht nur öffentlich, sondern auch privatschriftlich errichtet werden. Ob letzteres bei einer so komplexen Materie wie dem Erbrecht empfehlenswert ist, ist eine andere Frage, die nur im Einzelfall beantwortet werden kann (siehe hierzu auch meinen Blog-Artikel „Das Testament – die drei größten Irrtümer“).

Der Notar kann den Erbvertrag entweder beim Nachlassgericht hinterlegen oder in seine Verwahrung nehmen. Die Verwahrung beim Notar setzt voraus, dass die Vertragsschließenden die Hinterlegung beim Nachlassgericht – die Juristen nennen das „die besondere amtliche Verwahrung“ – übereinstimmend ausgeschlossen haben.

Hingegen muss ein notariell beurkundetes Ehegattentestament wie jedes öffentlich errichtete Testament unverzüglich vom Notar beim Nachlassgericht hinterlegt werden.

Es fallen bei jeder Hinterlegung Gerichtskosten in Höhe von pauschal 75,00 Euro an. Der Wert des Nachlasses spielt keine Rolle.

Jedes schriftlich errichtete Testament kann beim Nachlassgericht hinterlegt werden; das ist freiwillig. Es kann auch zu Hause in der Schublade aufbewahrt werden. Mit einem privatschriftlichen Testament können also die Notar- und Gerichtskosten vermieden werden. Wer damit liebäugelt, sollte sich aber mit den sich daraus ergebenen Risiken beschäftigen und genau abwägen, ob das Einsparen von Kosten diese Risiken rechtfertigen (siehe hierzu Abschnitt 7 e).

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4. Was spricht für und was gegen den Ehegattenerbvertrag?

a) Pro Erbvertrag

  • Da der Erbvertrag beurkundet werden muss, erforscht der Notar den Willen der Vertragsteile und gestaltet dann den Entwurf des Erbvertrages frei von Unklarheiten, Widersprüchen und gestalterischen Fehlern. Das ist jedenfalls der Idealfall.
  • Es reicht aus, wenn nur ein Ehegatte eine letztwillige Verfügung (z. B. Erbeinsetzung, ein Vermächtnis zu Gunsten des Vertragspartners oder eines Dritten) vornimmt – und der andere diese annimmt. Das Ergebnis ist dann eine vertragsgemäße Verfügung. Mindestens eine davon muss im Erbvertrag enthalten sein. Wenn nicht, ist es kein Erbvertrag. Nicht alle Verfügungen eignen sich als vertragsgemäße Verfügung. Einige Verfügungen können nur einseitig getroffen werden, wie z. B. das Ernennen eines Testamentsvollstreckers oder eine Enterbung (siehe oben Info-Box Nr. 1).
  • Die Wechselbezüglichkeit ist beim Erbvertrag wirkungsvoller, weil sie alle Fälle der Unwirksamkeit umfasst: Auch durch Gegenstandslosigkeit unwirksam gewordene Klauseln führen dann zur Gesamtunwirksamkeit des Erbvertrages. So kann die wasserdichte Abhängigkeit aller vertragsgemäßen Verfügungen erreicht werden.

Beispiel Nr. 4: Die Ehefrau vermacht in einem wechselbezüglichen Erbvertrag ihrem Stiefkind Klaus eine nur ihr gehörende Immobilie; der Ehemann vermacht im Gegenzug seiner Stieftochter Britta ebenfalls eine nur ihm gehörende Immobilie. Beide nehmen die Verfügungen des jeweils anderen an. Ihr Ziel ist die Gleichbehandlung der beiden Kinder. – Klaus verstirbt vor dem ersten Erbfall, so dass das Vermächtnis der Ehefrau gegenstandlos wird. Der Ehemann ist dann nicht mehr an seine vertragsmäßige Verfügung zugunsten der noch lebenden Stieftochter Britta gebunden. 

  • Eine vertragsgemäße Verfügung muss nicht zwingend wechselbezüglich sein. Ein einseitiger Erbvertrag, wo nur ein Ehegatte Erblasser ist („Einbahnstraße“) und der andere Ehegatte diese annimmt, ist möglich. Bei zweiseitigen Erbverträgen wird die Wechselbezüglichkeit hingegen vermutet.
  • Das Recht zur Ausschlagung des Erbes durch den Längstlebenden kann abbedungen werden.
  • Wird kein gesondertes Rücktrittsrecht vereinbart, sind die Parteien an den Erbvertrag gebunden. Derjenige, der sich auf die vertragsgemäße Verfügung verlässt, muss nicht wie beim gemeinschaftlichen Testament zu Lebzeiten des Erblassers einen Widerruf fürchten. Freiwillig können die Parteien den Erbvertrag wie ein gemeinschaftliches Testament jederzeit gemeinsam ändern oder aufheben.
  • Der andere Ehegatte und der Vertragserbe sind vor etwaigen in Benachteiligungsabsicht vorgenommenen Schenkungen durch den Erblasser bereits ab Vertragsschluss geschützt (siehe hierzu auch meinen Blog-Artikel „Beeinträchtigende Schenkung durch den Erblasser: Die Ausgleichspflicht des beschenkten Vertragserben gegenüber dem anderen Vertragserben“).
  • Die Eheleute können einen Erbvertrag mit einem Ehevertrag in einer Urkunde kombinieren. Gerade bei „Wiederholungstätern“, die erneut heiraten und vielleicht in erster Ehe schlechte Erfahrungen gemacht haben, ist das eine interessante Möglichkeit, Risiken wie z. B. im Fall des Scheiterns der Ehe einen etwaigen ruinösen Zugewinnausgleich auszuschließen. Eine Kombination Ehevertrag mit einem gemeinschaftlichen Testament ist nicht möglich – jedenfalls nicht in einer Urkunde. In diesem Fall müssten zwei Einzelurkunden errichtet werden.

b) Contra Erbvertrag

  • Der Erbvertrag muss beurkundet werden. Dadurch entstehen Notarkosten. Üblicherweise werden heutzutage Erbverträge nicht vom Notar verwahrt, sondern beim Nachlassgericht hinterlegt. Auch dadurch entstehen Kosten (pauschal 75,00 Euro).
  • Mindestens eine Verfügung muss vertragsgemäß sein und folglich Bindungswirkung entfalten. Ein gemeinschaftliches Testament kann hingegen gänzlich ohne wechselbezügliche Verfügung auskommen.
  • Die gesetzlichen Rücktrittsrechte nach § 2294 BGB (Rücktritt bei Verfehlungen des Bedachten) und § 2295 BGB (Rücktritt bei Aufhebung der Gegenverpflichtung) können nicht abbedungen werden.

5. Was spricht für und was gegen ein gemeinschaftliches Ehegattentestament?

a) Pro gemeinschaftliches Testament

  • Ein Testament muss nicht öffentlich errichtet werden; die kostenpflichtige Hinterlegung beim Nachlassgericht ist freiwillig. So können die Kosten des Notars und die Hinterlegungskosten bei Gericht vermieden werden.

  • Für ein Testament ist keine volle Geschäftsfähigkeit erforderlich (= Vollendung des 18. Lebensjahres), sondern es genügt die mit Vollendung des 16. Lebensjahres erreichte Testierfähigkeit. In der Praxis spielt das seit dem Absenken des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre mit Wirkung zum 01.01.1975 keine Rolle mehr.

  • Es ist ausreichend, dass ein Ehegatte das Testament eigenhändig – also per Hand, auf keinen Fall mit Hilfe eines PC oder einer Schreibmaschine (soll es noch in vereinzelten Exemplaren geben) – schreibt, und dann beide Ehegatten den vollständig handgeschriebenen Text unterschreiben. Ich zitiere einen Notarkollegen: „Derjenige mit der besseren Handschrift schreibt, der Ehemann muss nur mitunterschreiben.“ Was ich damit sagen will: Wer sich für ein handgeschriebenes Testament entscheidet, sollte die Lesbarkeit im Auge behalten.

  • Das gemeinschaftliche Testament kann, muss aber keine wechselbezügliche Verfügung enthalten. Die Ehegatten können also theoretisch alle Verfügungen einseitig vornehmen, so dass sie zu Lebzeiten und auch nach dem Tod des ersten Ehegatten von dem Längstlebenden frei abgeändert oder aufgehoben werden können.

  • Es besteht ein gesetzliches Widerrufsrecht. Selbst wenn bei dem Verfassen eines Testaments nicht daran gedacht wird, hat jeder Ehegatte das Recht, seine Verfügungen zu widerrufen, solange der andere Ehegatte noch lebt. Ein Grund für den Widerruf muss nicht genannt werden. Der Widerruf ist auch nicht fristgebunden.

b) Contra gemeinschaftliches Testament

  • Der letztgenannte Vorteil ist gleichzeitig ein Nachteil: Jeder Ehegatte kann ein gemeinschaftliches Testament von Gesetzes wegen widerrufen – und auf diese Weise können auch unliebsam gewordene wechselbezügliche Verfügungen aus dem Verkehr gezogen werden. Das bedeutet: Solange beide Ehegatten leben, kann der andere Ehegatte nicht auf den Bestand der wechselbezüglichen Verfügung vertrauen. Immerhin kann der Widerruf nicht heimlich geschehen. Er muss beurkundet und dem anderen Ehegatten in Form einer Ausfertigung zustellt werden. Das gesetzliche Widerrufsrecht kann in dem gemeinschaftlichen Testament nicht abbedungen werden.

  • Jeder Ehegatte muss in einem gemeinschaftlichen Testament eine letztwillige Verfügung vornehmen.

  • Gerade in privatschriftlichen Ehegattentestamenten, die ohne Rechtsberatung erstellt worden sind, können laienhafte Formulierungen nicht nur zu auslegungsbedürftigen Unklarheiten und Widersprüchen führen, sondern auch zu ungewollten Fallen. Insbesondere kann sich die beim Tod des ersten Ehegatten einsetzende Bindungswirkung bei einer wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung als äußerst nachteilig erweisen (siehe oben Beispiel Nr. 3 und unten Beispiel Nr. 5).


Der Längstlebende von den Ehegatten kommt dann grundsätzlich aus dieser Verfügung nicht mehr raus, auch wenn er vielleicht noch Jahrzehnte lebt (sog. Bindungsfalle). Erfahrungsgemäß wissen die Testierenden das gar nicht – und fallen später aus allen Wolken. Das Anfechtungsrecht bietet keinen Ausweg, wenn die kurze Anfechtungsfrist von einem Jahr (§ 2283 Abs. 1 BGB) verpasst wird.

Beispiel Nr. 5: Frau Meyer und Herr Meyer geb. Winzling haben jung geheiratet. Sie errichten privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament, wo sie sich gegenseitig zu Erben einsetzen und die gemeinsamen (zukünftigen) Kinder zu Schlusserben des Längstlebenden von ihnen. Weitere Verfügungen treffen sie nicht. Formell ist nichts zu beanstanden. Als Herr Meyer bei einem tragischen Unfall ums Leben kommt, ist seine Frau 30 Jahre alt. Er hinterlässt das gemeinsame Kind Arno. Frau Meyer nimmt das Erbe nach ihrem verstorbenen Gatten an. Nach dem Trauerjahr verliebt sich Frau Meyer neu. Sie heiratet wieder, und aus der neuen Ehe gehen drei weitere Kinder hervor. Fünf Jahre nach der Geburt ihres jüngsten Kindes geht sie zum Notar und fragt, wie sie ihr Vererben mit ihrem zweiten Ehemann gestalten kann.

Da in dem gemeinschaftlichen Testament mit ihrem verstorbenen ersten Ehemann die Wechselbezüglichkeit bei der Schlusserbeneinsetzung nicht ausgeschlossen wurde, ist mit dem Tod von Herrn Meyer diese Verfügung bindend geworden. Arno wird daher nach seiner Mutter ihr alleiniger Erbe sein.

Frau Meyer kann weder ihren neuen Ehemann noch ihre weiteren drei Kinder in einer neuen letztwilligen Verfügung als weitere Erben bestimmen. Es bliebe ihr nur die Anfechtung ihrer eigenen wechselbezüglichen letztwilligen Verfügung in dem alten gemeinschaftlichen Testament. Da sie die Anfechtungsfrist von einem Jahr ab Kenntnis des letzten Anfechtungsgrundes (Geburt ihres jüngsten Kindes) gerissen hat, muss die Anfechtung misslingen.

  • Der Schutz des Schlusserben gegen von dem Erblasser in Benachteiligungsabsicht gemachte Schenkungen zu Gunsten Dritter besteht erst mit Eintritt der Bindungswirkung, d. h. mit dem Tod des ersten Ehegatten. Bis dahin ist der Schlusserbe schutzlos. Die Erblasser können also zu ihren Lebzeiten den Nachlass auf diese Art und Weise aushöhlen, ohne dass der benachteiligte Schlusserbe einen Herausgabeanspruch des Geschenks hat (siehe hierzu auch meinen Blog-Artikel „Beeinträchtigende Schenkung durch den Erblasser: Die Ausgleichspflicht des beschenkten Vertragserben gegenüber dem anderen Vertragserben“).

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6. Was spricht bei Ehegatten für und was gegen zwei Einzeltestamente?

a) Pro Einzeltestament

  • Einzeltestamente enthalten nur einseitige Verfügungen. Diese können von dem Erblasser jederzeit durch eine neue letztwillige Verfügung frei geändert oder aufgehoben werden. Der Erblasser hat also wie bei einem gemeinschaftlichen Testament, das nur einseitige Verfügungen enthält, maximale Freiheit bzw. Flexibilität, was sein Vererben betrifft.

  • In bestimmten Fällen mit Auslandsberührung verbietet die Geltung ausländischer Rechtsnormen gemeinsame Verfügungen in ein- und derselben Urkunde. Dann bleiben den davon betroffenen Eheleuten nur Einzeltestamente.

b) Contra Einzeltestament

  • Die jederzeitige Möglichkeit der Abänderung oder Aufhebung des Einzeltestaments durch den Erblasser schließt Fälle der Heimlichkeit ein. Aus der Sicht des anderen Ehegatten ist das nicht unproblematisch. Dieser kann zwar auf den Bestand des Einzeltestaments des anderen Ehegatten vertrauen, mehr aber auch nicht.

  • Sie entsprechen oft nicht dem Willen der Ehegatten. Das ist dann der Fall, wenn sie sich als Team ansehen, das gemeinsam Vermögen aufgebaut hat und weiter aufbaut– und daher wollen solche Eheleute in der Regel eine aufeinander abgestimmte Kette von letztwilligen Verfügungen in ein- und derselben Urkunde vornehmen. Mit Einzeltestamenten können die Verfügungen der Eheleute nicht in gegenseitige Abhängigkeit gebracht werden.
7. Tipps und Hinweise für Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament und Einzeltestament

a) Wann der Erbvertrag die richtige Lösung sein kann

Der Erbvertrag könnte insbesondere bei Patchworkfamilien die richtige Wahl sein, wo es häufig neben gemeinsamen Kindern auch Kinder aus früheren Beziehungen gibt („deine, meine und unsere Kinder“). Sollen alle Kinder gleichbehandelt werden, gilt dieses Argument nicht mehr. Dann würde diese Gleichbehandlung die Patchworkfamilie der „klassischen Familie“ mit ausschließlich gemeinsamen Kindern annähern (siehe dazu unten b) Wann das gemeinschaftliche Testament die richtige Lösung sein kann).

Ich bin bekennender Fan von Erbverträgen – und das nicht nur, weil sie beurkundet werden müssen. Bei der Auslegung der Willenserklärung der Vertragsschließenden geht es nicht wie bei dem gemeinschaftlichen Testament um den mutmaßlichen subjektiven Willen der Vertragsteile, was im Einzelfall zu heftigen Auseinandersetzungen um die richtige Auslegung von Verfügungen führen kann. Der Erbvertrag garantiert mit seinem Anknüpfungspunkt „objektiver Erklärungsinhalt“ vorhersehbarere Ergebnisse. Ein klarer Pluspunkt für den Erbvertrag.

Über jeder Gestaltungsform – also auch dem Erbvertrag – schwebt immer das Damoklesschwert der Anfechtung. Dieses Risiko ist damit neutral zu bewerten. Da kommt es einem wohltuenden Umstand gleich, wenn der Erblasser beim Erbvertrag nicht zusätzlich den jederzeitigen Widerruf des anderen Ehegatten befürchten muss. Um es noch einmal zu wiederholen: Das freie Widerrufsrecht haftet dem gemeinschaftlichen Testament unlösbar an, solange der Erblasser noch lebt. Für mich ein weiterer Pluspunkt für den Erbvertrag.

Hingegen sind beim Erbvertrag die unabdingbaren gesetzlichen Rücktrittsrechte harmlos, weil der Erblasser es selbst in der Hand hat, ob diese ausgelöst werden. Ob darüber hinaus Rücktrittsrechte vertraglich vereinbart werden, ist eine Frage des Einzelfalles.

Auch der Schutz des Vertragserben und des anderen Ehegatten vor mit Beeinträchtigungsabsicht vorgenommenen Schenkungen des Erblassers setzt früher ein – und zwar mit Zustandekommen des Vertrages. Das ist häufig von den Parteien gewollt, gerade wenn der andere Ehegatte Kinder in die Ehe mitgebracht hat, um deren Benachteiligung er fürchten muss. Leider ist das Vorziehen der eigenen (und gemeinsamen) Kinder allzu menschlich; damit ist immer zu rechnen.

b) Wann das gemeinschaftliche Testament die richtige Lösung sein kann

Ein gemeinschaftliches Testament kommt vor allem bei klassischen Familienstrukturen in Betracht, wo es nur gemeinsame Abkömmlinge gibt. Jeder Ehegatte kann grundsätzlich davon ausgehen, dass der andere Ehegatte das Wohl der gemeinsamen Kinder im Auge hat. Daher wird die Schlusserbeneinsetzung häufig auch nur einseitig, mithin nicht wechselbezüglich vorgenommen, so dass der Längstlebende frei über seinen Nachlass und das von dem Erstversterbenden Ererbte verfügen kann. Gerät ein Kind wirtschaftlich in die Krise oder wird geschäftsunfähig, kann der Längstlebende die bisherige Schlusserbeneinsetzung korrigieren. Das ist im Interesse der Familie.

Sollte die Schlusserbeneinsetzung wechselbezüglich sein, bietet das gemeinschaftliche Testament im Vergleich zum Erbvertrag größere Flexibilität, was Schenkungen zu Lebzeiten beider Ehegatten anbelangt: Die Bindungswirkung beginnt erst mit dem Tod des ersten Ehegatten. In der Regel sind die Kinder als Schlusserben eingesetzt – und damit die sog. Vertragserben. Erst mit der Bindungswirkung erwerben sie gegen benachteiligende Schenkungen den Schutz in Form eines Herausgabeanspruchs gegen den Beschenkten. So kann zu Lebzeiten beider Eltern z. B. einem Kind eine Immobilie im Wege vorweggenommener Erbfolge schenkungsweise übertragen werden, ohne dass die „weichenden“ Geschwister Herausgabeansprüche gegen den Beschenkten stellen könnten. Sie sind auf Pflichtteilsergänzungsansprüche beschränkt, die sich jedes Jahr um 10% reduzieren. Läuft die 10-Jahres-Frist an, bleibt die Schenkung nach 10 Jahren unberücksichtigt (siehe hierzu auch meinen Blog-Artikel „Pflichtteilsergänzungsansprüche für adoptierte Kinder – Ab wann gelten sie?“).

Bei nicht gemeinsamen Kindern ist zu berücksichtigen, dass diese nur nach ihrem leiblichen Elternteil ein Pflichtteilsrecht haben.

Aus deren Perspektive wäre der Erbvertrag besser, weil sie einfach früher – nämlich ab Beurkundungsabschluss des Erbvertrages – die vorgenannten Herausgabeansprüche gegen den Beschenkten haben.

Bei einer Einheitslösung („Berliner Testament“) könnte zusätzlich ein auflösend bedingter Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen Eltern und ihren Kindern für Sicherheit sorgen. Darin verzichten die Kinder auf ihr Pflichtteilsrecht nach dem erstversterbenden Elternteil unter der Voraussetzung, dass die Schlusserbeneinsetzung nicht geändert wird. Dieser Verzichtsvertrag muss beurkundet werden. Gegenleistungen für den Verzicht können vereinbart werden (z. B. „Verzicht gegen Cash“). Falls der Pflichtteilsverzichtsvertrag durch Eintritt der Bedingung aufgelöst wird, muss man sich nur Gedanken machen, was mit der bereits empfangenen Gegenleistung geschehen soll. Die Kinder werden einmal empfangenes Geld nur sehr ungerne wieder herausgeben, sofern es überhaupt noch da ist.

Auch bei kinderlosen Ehepaaren, die dazu neigen, ihre Schlusserbeneinsetzung häufiger umzustoßen, könnte ein gemeinschaftliches Testament die richtige Wahl sein, weil jede Änderung eines Erbvertrages beurkundet werden muss und damit neue Kosten auslöst. Dem könnte dadurch begegnet werden, dass zunächst einmal die Schlusserbeneinsetzung unterbleibt, bis darüber Klarheit herrscht.

c) Wann Einzeltestamente die richtige Lösung sein können

In Fällen, wo die Ehegatten spät geheiratet haben und ein gemeinsamer Vermögensaufbau nicht mehr angestrebt bzw. nicht mehr stattfinden wird (sondern eher das gemeinsame Ausgeben der bereits unabhängig voneinander erwirtschafteten beiderseitigen Vermögen), besteht häufig der Wunsch, dem anderen noch etwas zuzuwenden, und sei es nur durch ein Vermächtnis den Hausrat. Allerdings kann es in diesen Ehekonstellationen „Zweiter Frühling“ (Christoph Münch in: „Ehebezogene Rechtsgeschäfte“, Kapitel 9, Rn. 15) sachgerecht sein, in Einzeltestamenten über die Nachlässe zu Gunsten der eigenen Kinder zu verfügen, und den Ehegatten mit Vermächtnissen zu bedenken – und zusätzlich zur Beruhigung der längst erwachsenden Erben gegenseitig auf die durch die Eheschließung entstehenden Pflichtteilsrechte zu verzichten, d. h. die Eheleute verzichten gegenseitig auf ihre Pflichtteilsrechte nach jeweils anderen.

Nach meiner Erfahrung gönnen Kinder ihren Elternteilen den zweiten Frühling– nur darf die Erbmasse nicht geschmälert werden. Durch die Heirat entstehen jeweils gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrechte, was die erwachsenen Kinder ganz genau wissen. Deren Pflichtteilsrecht halbiert sich durch die Eheschließung. Es geht also mitunter um viel Geld. Wer seine Kinder nicht verprellen will, muss sich etwas einfallen lassen. Ich kenne Paare, von denen nur der Standesbeamte und der Notar von der Eheschließung wissen. Da jeder seinen Namen behalten kann, kann nach Außen die Fassade gewahrt bleiben. Das dürften jedoch nur Einzelfälle sein. Für alle anderen bleibt immer noch der Weg, bei den Abkömmlingen mit ihnen genehmen Erbeinsetzungen und Pflichtteilsverzichten für Entspannung zu sorgen. Offenheit und Transparenz können Wunder wirken. Jeder hat es in der Hand, ob er einsam heiratet oder im Kreis der Familie.

Schließlich gibt es Fälle mit Auslandsberührungen, wo Eheleute aus rechtlichen Gründen nur Einzeltestament abschließen können. Hier bedarf es zwingend rechtlicher Beratung, weil auch sog. Simultantestamente (beide Eheleute errichten ihre Testamente am gleichen Tag und wohlmöglich auch noch mit einem gleichen Wortlaut) ein Problem für die einschlägige ausländische Rechtsordnung sein können.

d) Was eine Scheidung für den Erbvertrag und das gemeinschaftliche Testament bedeutet

Nach Rechtskraft der Scheidung werden Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament grundsätzlich komplett unwirksam. Verstirbt der Erblasser vor Rechtskraft der Scheidung, kommt es darauf an, ob die Voraussetzungen für die Scheidung vorlagen und der Erblasser selbst den Scheidungsantrag gestellt oder dem Antrag des anderen Ehegatten zugestimmt hatte. Ist das der Fall, tritt ebenfalls Unwirksamkeit ein.

Etwas anderes gilt nur, wenn der Erblasser seine Verfügungen auch für den Fall der Scheidung getroffen haben würde. Das dürfte aber nur im Ausnahmefall zu bejahen sein. Um Spekulationen darüber von vornherein zu vermeiden, könnte eine klarstellende Klausel in den Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament aufgenommen werden.

e) Welche Risiken bestehen bei zwei selbst verfassten Einzeltestamenten, die zu Hause verwahrt werden?

Mir geht es hier nicht darum, Sie zu überzeugen, von selbstverfassten, nicht hinterlegten Testamenten die Finger zu lassen. Ich weise nur auf folgende Risiken völlig wertungsfrei hin:

Wer ein Testament selbst verfasst, spart im ersten Moment unzweifelhaft Kosten (Notar- und Gerichtskosten) – und bei höheren Vermögen können das schnell ein paar Tausend Euro sein. Die Kehrseite der Medaille ist, dass es erfahrungsgemäß keine gute Idee ist, sich in eigener Sache selbst zu vertreten. Das ist das eine. Das andere sind die mangelnden Fachkenntnisse. Auch ich habe schon selbst eine Wand angestrichen und mir dabei viel Mühe gegeben. Die von einem Profi gemalte Wand sieht trotzdem besser aus. Es liegt auf der Hand, dass die Gestaltung von Testamenten besser gelingt, wenn der Gestalter Abstand zu der Sache hat und über das nötige Fachwissen sowie Erfahrung verfügt. Jeder muss selbst wissen, ob das Ende, an dem er spart, das Richtige ist.

Wer das selbstverfasste Testament nicht beim Nachlassgericht hinterlegt, geht ein weiteres Risiko ein: Das in der Schublade verwahrte Testament kann verloren gehen – oder es kann von Dritter Seite beseitigt werden. Diese Fälle kommen leider immer wieder vor. Ich meine damit nicht nur die berühmten Erbonkel-Fälle, wo die enterbten Kinder das für sie ungünstige Testament vor dem eingesetzten Erben finden – und dieses dann auf unerklärliche Weise verschwindet, so dass gesetzliche Erbfolge eintritt (und die bösen Kinder erben). Ich meine vor allem die Fälle, wo infolge von Umzügen (vor allem ins Pflegeheim) in guter Absicht Unterlagen vernichtet werden. Nur leider befand sich auch das handgeschriebene Testament darunter. Wegwerfaktionen bergen stets das Risiko in sich, dass unabsichtlich wichtige Dinge mitentsorgt werden. Dazu ein Fall aus meiner Praxis:

Die Witwe sollte nach ihrem Mann allein erben. Leider war das (privatschriftliche) gemeinschaftliche Testament der Eheleute wie vom Erdboden verschluckt. Es gab nichts mehr, keine Kopie, rein gar nichts. Daher erbte sie infolge der gesetzlichen Erbfolge nur die Hälfte; die andere Hälfte erbten zu gleichen Teilen ihre beiden Kinder, darunter die streitsüchtige Tochter. Die Witwe war geschockt, als ich ihr die Erbquoten mitteilte, weil sie wusste, was auf sie zukommt. Hätte sie mit ihrem Mann das Testament beurkundet bzw. zumindest das selbstverfasste Testament bei Gericht hinterlegt, wäre ihr die Erbengemeinschaft mit ihren Kindern erspart geblieben.

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Meine Person

+ Jahrgang 1968
+ Rechtsanwalt seit 1997
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Arnim Buck • Fachanwalt für Arbeitsrecht, Notar & Autor

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