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Kündigungsschutzklage: Ein Leitfaden rund um das Thema Kündigung durch den Arbeitgeber von Arnim Buck

Kündigungsschutzklage Ein Leitfaden rund um das Thema Kündigung

Warum jeder Arbeitnehmer über die Kündigungsschutzklage Bescheid wissen sollte: Ein Leitfaden zu Ihren Rechten, Möglichkeiten und was Sie unbedingt beachten müssen, um sich erfolgreich gegen eine unrechtmäßige Entlassung zur Wehr zu setzen. Lesen Sie jetzt weiter, um Ihre Rechte zu wahren und Ihre berufliche Zukunft zu sichern.

Das Einmaleins des Kündigungsschutzes

Dieser Blog-Artikel richtet sich vor allem an Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber gerade die Kündigung bekommen haben und sich informieren wollen. Hier bekommen Sie von mir fachkundige Antworten auf die häufigsten Fragen rund um die Kündigungsschutzklage.

Ich nenne bewusst nur äußerst selten Paragrafen, Gesetze und Gerichtsurteile, um Sie nicht zu langweilen. In den sog. „Info-Boxen“ gibt es zusätzliche wertvolle Informationen für Sie. Wer schon Bescheid weiß, kann die Info-Boxen überlesen.

An der einen oder anderen Stelle streue ich Anekdoten aus dem Anwaltsalltag ein („Storytelling“). Storytelling ist eine äußerst wirksame Erzählmethode, die ich hier verwende, damit Sie sich die dahinterstehenden Informationen besser merken können. 

Die Tipps sind ausdrücklich unverbindlich und ersetzen nicht die rechtliche Beratung zu einer Kündigungsschutzklage im Einzelfall. Jeder Fall ist anders; es kann also sein, dass ein Tipp oder meine sonstigen Ausführungen auf Ihren Fall gar nicht passen. Gerade die Tipps geben Ihnen aber die Möglichkeit, das Problem, welches der Tipp lösen helfen soll, unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten.

Inhaltsverzeichnis

Sie haben Fragen zu Ihrer konkreten Kündigung?

Mehr zum Thema finden Sie in meinem E-Book

12. Was unterscheidet eine ordentliche fristgerechte Kündigung von einer außerordentlichen fristlosen Kündigung?

13. Wann ist eine außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam?

14. Wann ist eine ordentliche fristgerechte Kündigung unwirksam?

15. Was ist ein Weiterbeschäftigungsanspruch?

16. Wie kann die Kündigungsschutzklage enden?

17. Was passiert, wenn die Kündigungsschutzklage vom Arbeitnehmer gewonnen wird?

18. Was passiert, wenn die Kündigungsschutzklage vom Arbeitnehmer verloren wird?

19. Wie wird ein Vergleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgeschlossen?

20. Was wird in einem Vergleich vor Gericht geregelt?

E-Book: Das Einmaleins des Kündigungsschutzes

Was Sie unbedingt wissen sollten, wenn Sie die Kündigung von Ihrem Arbeitgeber erhalten

1. Was ist eine Kündigungsschutzklage?

a) Der Zweck der Kündigungsschutzklage

Die Kündigungsschutzklage ist das prozessuale Verteidigungsmittel eines Arbeitnehmers gegen eine Kündigung, die er von seinem Arbeitgeber bekommen hat. Es handelt sich dabei um eine sog. Feststellungsklage. Viele denken, dass mit der Kündigungsschutzklage auf Weiterbeschäftigung geklagt wird. Das ist so nicht richtig. Vielmehr wird damit auf die Feststellung geklagt, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht beendet worden ist. Die Weiterbeschäftigung ist also nur die indirekte Folge aus dieser Feststellung.

Die Kündigungsschutzklage ist das einzige sichere Mittel, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhindern kann.

Anders geht es nicht, wenn der Arbeitnehmer auf Sicherheit bedacht ist. Auch wenn er nur auf eine Abfindung aus ist, bleibt ihm der Umweg über eine Kündigungsschutzklage nicht erspart. Das ist nicht paradox, sondern folgt daraus, dass es grundsätzlich keinen Abfindungsanspruch im Arbeitsrecht gibt.

Die Kündigungsschutzklage ist auch der einzige sichere Weg zu einem Deal („Vergleich“) über die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses – und das schließt eine Abfindung ein.

Tipp: „Trau, schau, wem!“

Wenn Sie nach Erhalt der Kündigung mit dem Arbeitgeber anfangen, über eine friedliche Lösung zu verhandeln, sollten Sie unbedingt die dreiwöchige Klagefrist für die Kündigungsschutzklage im Auge behalten, vgl. unten 8. Bis wann kann eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden? Denn der Arbeitgeber wird vielleicht versuchen, mit Ihnen länger als drei Wochen zu verhandeln. Wenn ihm das gelingt – und Sie vergessen, fristwahrend die Kündigungsschutzklage einzureichen, dann hat der Arbeitgeber gewonnen. Nach Ablauf der Klagefrist können Sie die Kündigung in der Regel nicht mehr angreifen, und damit würden Sie Ihre wichtigste Trumpfkarte in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber verlieren. Eine Abfindung können Sie dann vergessen. Der vorsichtige Arbeitnehmer wird daher unverzüglich Kündigungsschutzklage erheben. Und so kann er mit dem Arbeitgeber in aller Ruhe seine Verhandlungen führen

b) Die Änderungskündigung

Es gibt auch Fälle, wo der Arbeitgeber seine Kündigung mit einem Änderungsangebot kombiniert. Das nennen die Juristen eine Änderungskündigung. Hintergrund ist regelmäßig, dass der Arbeitsplatz des Gekündigten (angeblich) weggefallen ist, der Arbeitgeber aber an anderer Stelle eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sieht. Die Änderungskündigung ist also ein „milderes Mittel“ gegenüber einer „normalen“ Kündigung. Wer dagegen vorgehen will, hat die Möglichkeit, eine Änderungskündigungsschutzklage einzureichen.

„Änderungskündigungsschutzklage“

Wenn Sie eine Änderungskündigung erhalten haben, sollten Sie zunächst auf die Annahmefrist des Angebots achten. Sie haben mehrere Möglichkeiten, auf das Änderungsangebot zu reagieren:

  • Sie schweigen auf das Angebot oder lehnen es ab. Wenn Sie dann gegen die Kündigung die Kündigungsschutzklage einlegen, handelt es sich um einen normalen Kündigungsschutzprozess.
  • Sie akzeptieren das Änderungsangebot und klagen nicht. Dann wird der Arbeitsvertrag gemäß Änderungsangebot geändert – und die Sache ist erledigt. Der Arbeitgeber hat sein Ziel erreicht.

In der Mehrzahl der Fälle wird bei der Änderungskündigung folgende Lösung gewählt: Das Angebot des Arbeitgebers wird unter Vorbehalt angenommen – und gegen die Kündigung wird in der besonderen Form der Änderungskündigungsschutzklage geklagt. In dieser Fallkonstellation lautet der Antrag in der Klageschrift auf Feststellung, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist. (siehe auch im E-Book unter 14. Wann ist eine ordentliche fristgerechte Kündigung unwirksam?)

c) Der Vergleich

Im Laufe des Prozesses gibt es eigentlich immer die Möglichkeit, den Konflikt einvernehmlich und ohne Kündigungsschutzklage zu beenden. Die Arbeitsrichter sind sogar verpflichtet, auf eine Einigung der Parteien hinzuwirken: „Gibt es Einigungsmöglichkeiten?“ – das ist eine oft gehörte Frage der Richter im Gerichtssaal. Eine solche Einigung nennt man im Juristendeutsch „Vergleich“.

Kernbestandteil eines Vergleichs ist die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Datum endet – und häufig erhält der Gekündigte dafür Gegenleistungen. Und das kann auch eine Abfindung sein.

Diese Gegenleistungen werden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei ausgehandelt. Manchmal geht es zu wie auf einem Basar. Vielleicht bekommt der Arbeitnehmer nicht alles, was er haben will – aber oft genug, um erhobenen Hauptes von dem Arbeitsverhältnis loszulassen zu können. (siehe auch im E-Book das Kapitel Welchen Inhalt kann ein Vergleich im Kündigungsschutzprozess haben? Und siehe auch 10. Wie hoch sind meine Chancen bei einer Kündigungsschutzklage?)

2. Wann besteht Kündigungsschutz?

Um Kündigungsschutz zu haben, müssen nur zwei Voraussetzungen vorliegen:

a) Das Arbeitsverhältnis, das gekündigt worden ist, muss mehr als sechs Monate ununterbrochen bestanden haben.

b) Und es müssen in dem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, die auf eine bestimmte Art gezählt werden (siehe dazu Info-Box Nr. 5), beschäftigt sein. Wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor dem 31.12.2003 bestand, reichen regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer. Diese Zahl („10“ oder „5“) der Mitarbeiter definiert die Grenze für den sog. Kleinbetrieb und damit den Schwellenwert für den Kündigungsschutz.

Liegt die Anzahl der Beschäftigten hingegen exakt bei oder unter dem für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Schwellenwert („10“ oder „5“), haben wir es mit einem Kleinbetrieb zu tun.

  • Kleinbetrieb bedeutet immer: Kein Kündigungsschutz!
  • Kein Kleinbetrieb bedeutet hingegen immer: Kündigungsschutz besteht!

Das erklärt auch, warum Anwälte in dem ersten Beratungsgespräch eingangs nach dem Arbeitsvertrag, der Kündigung und der Anzahl der Mitarbeiter (nach Köpfen) im Betrieb fragen.

Kündigungen in einem Kleinbetrieb unterliegen einem eigenen Beurteilungsmaßstab, siehe dazu die Info-Box Nr. 4.

Kündigung durch den Arbeitgeber im Kleinbetrieb

Es besteht zwar im Kleinbetrieb kein Kündigungsschutz, aber dennoch muss der Kleinunternehmer bestimmte rechtliche Vorgaben beachten, wenn er einen seiner Mitarbeiter entlässt.

Insbesondere darf die Kündigung nicht sittenwidrig sein (Beispiel für eine sittenwidrige Kündigung: Dem Mitarbeiter wurde gekündigt, weil er mit einer Chinesin verheiratet ist, Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.06.2011 – 3 Sa 95/11) oder eine Maßregelung zum Gegenstand haben (Beispiel: der Arbeitnehmer nimmt den vereinbarten Urlaub, und der Arbeitgeber kündigt daraufhin). Und der Kleinunternehmer muss auch den Sonderkündigungsschutz (bei Schwangeren, Eltern in der Elternzeit und Schwerbehinderten) beachten, siehe auch im E-Book unter 13. „Wann ist eine außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam?“.

Ob eine Klage gegen eine Kündigung im Kleinbetrieb sinnvoll ist, hängt davon ab, ob es eine fristlose Kündigung oder eine ordentliche fristgerechte Kündigung ist (siehe auch im E-Book unter 12. „Was unterscheidet eine ordentliche fristgerechte Kündigung von einer außerordentlichen fristlosen Kündigung?“).

Eine Klage gegen eine ordentliche fristgerechte Kündigung in einem Kleinbetrieb ist wegen des fehlenden Kündigungsschutzes nur ausnahmsweise (z.B. bei Sittenwidrigkeit oder einem Verstoß gegen Formalien) erfolgsversprechend.

Anders bei der fristlosen Kündigung. Dort geht es um den „wichtigen Grund“ – und der kann auch außerhalb des Kündigungsschutzes angegriffen werden, siehe dazu auch im E-Book unter 13. „Wann ist eine außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam?“.

Allerdings wird von den Gerichten in der Regel eine unwirksame fristlose Kündigung in eine ordentliche fristgerechte Kündigung umgedeutet, wenn der Arbeitgeber vergessen haben sollte, vorsorglich hilfsweise die ordentliche Kündigung ausgesprochen zu haben. Das bedeutet: Wenn die Kündigung nicht fristlos wirkt, kann sie trotzdem das Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht beenden.

Das Bestehen von Kündigungsschutz entscheidet sich also an der Frage nach dem Kleinbetrieb. Um zu wissen, ob ein Kleinbetrieb besteht oder nicht, müssen die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter gezählt werden (nach Köpfen). Und dann ist häufig in einem zweiten Schritt die besondere Zählweise des Kündigungsschutzgesetzes anzuwenden. Wie das funktioniert, können Sie in der Info-Box Nr. 5 lesen.

  • Erster Schritt: Anzahl der Mitarbeiter im Betrieb ermitteln (nach Köpfen)
  • Zweiter Schritt (eventuell): Die besondere Zählweise des Kündigungsschutzgesetzes anwenden

Wieso steht bei dem zweiten Schritt nur „eventuell“? Das liegt an folgendem: Dieser zweite Schritt ist in vier Konstellationen entbehrlich:

Bei allen Arbeitsverhältnissen besteht ab 21 Arbeitnehmern im Betrieb (nach Köpfen gezählt!) garantiert kein Kleinbetrieb mehr (= 21 Minijobber = nach der besonderen Zählweise des Kündigungsschutzgesetzes 21 x 0,5 = 10,5 Arbeitnehmer). Bei älteren Arbeitsverhältnissen, die vor dem 01.01.2004 abgeschlossen wurden, ist das bereits ab elf Arbeitnehmern (nach Köpfen gezählt!) der Fall (= 11 Minijobber = nach der besonderen Zählweise des Kündigungsschutzgesetzes 11 x 0,5 = 5,5 Arbeitnehmer). Und, wie gesagt, kein Kleinbetrieb bedeutet immer: Es besteht Kündigungsschutz!

Ein weiteres Rechnen nach der besonderen Zählweise des Kündigungsschutzgesetzes erübrigt sich auch bei bis zu fünf Mitarbeitern (nach Köpfen gezählt!). Dann liegt garantiert ein Kleinbetrieb vor – das gilt auch für ältere Arbeitsverhältnisse (= 5 Vollzeitkräfte = nach der besonderen Zählweise des Kündigungsschutzgesetzes 5 x 1 = 5 Arbeitnehmer). Bei Arbeitsverhältnissen, die nach dem 31.12.2003 abgeschlossen wurden, reichen für diese Feststellung („Garantiert ein Kleinbetrieb!“) bis zu zehn Mitarbeiter (nach Köpfen gezählt!). Und, wie gesagt, ein Kleinbetrieb bedeutet immer: Kein Kündigungsschutz!

Diese vier Konstellationen definieren also eine Grenze nach oben („21“ bzw. „11“) und nach unten („5“ bzw. „10“), mithin die Bereiche, wo diese besondere Zählweise nach dem Kündigungsschutzgesetz keine Rolle spielt. Dazwischen liegt die „Zone der Unklarheit“.

Wann muss also nach der besonderen Zählweise des Kündigungsschutzgesetztes gerechnet werden?

Nur in den Zonen der Unklarheit! Für Arbeitsverhältnisse, die nach dem 31.12.2003 abgeschlossen wurden, liegt diese bei einer Mitarbeiteranzahl (nach Köpfen gezählt) zwischen 11 und 20. Wenn das auf Ihr Arbeitsverhältnis zutrifft, müssen Sie nach der besonderen Zählweise des Kündigungsschutzgesetztes ermitteln, ob Ihr Arbeitgeber noch ein Kleinbetrieb ist oder nicht. Bei älteren Arbeitsverhältnisses (vor dem 01.01.2004 abgeschlossen) befindet sich die Zone der Unklarheit zwischen 6 und 10 Mitarbeitern (nach Köpfen gezählt).

Die besondere Zählweise der Mitarbeiter nach § 23 Kündigungsschutzgesetz

Es ist zunächst zu klären, welche Arbeitnehmer bis zu 20 Wochenstunden arbeiten (= diese werden mit 0,5 gezählt), welche bis zu 30 Wochenstunden (= diese werden mit 0,75 gezählt) und welche mehr als 30 Wochenstunden (= diese werden mit 1,0 gezählt). – Die so ermittelten Zahlen werden dann addiert – und wenn die Summe über dem für das Arbeitsverhältnis relevanten Schwellenwert „10“ (bei älteren Arbeitsverhältnissen, die vor dem 31.12.2002 abgeschlossen wurden, über „5“) liegt, haben wir es mit keinem Kleinbetrieb zu tun. Liegt die Summe exakt bei 10 oder darunter (bei älteren Arbeitsverhältnissen exakt bei 5 oder darunter), handelt es sich um einen Kleinbetrieb – und, wie ich es schon geschrieben habe, in einem Kleinbetrieb gibt es keinen Kündigungsschutz.

Übrigens: Angestellte Reinigungskräfte werden beim Zählen gerne vergessen. Betriebsinhaber (entsprechend bei Gesellschaften die Vertretungsorgane (z. B. bei der GmbH der/die Geschäftsführer, bei einer AG der Vorstand)) und Auszubildende werden jedoch nicht mitgezählt.

3. Wo wird eine Kündigungsschutzklage eingereicht?

Die Kündigungsschutzklage wird beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht eingereicht. Jedes Arbeitsgericht ist für einen bestimmten Bezirk zuständig. Dabei kommt es auf den Wohnsitz des Arbeitgebers bzw. Firmensitz oder den Ort an, wo der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt („Erfüllungsort“). Beides kann zusammenfallen, muss aber nicht.

Beispiel: Der Arbeitgeber, eine GmbH, hat zwar seinen Firmensitz in Lübeck, der Arbeitnehmer arbeitet jedoch in der Niederlassung in Hamburg. Der Arbeitnehmer hat nun die Wahl: Er kann entweder beim Arbeitsgericht Hamburg oder beim Arbeitsgericht Lübeck seine Kündigungsschutzklage erheben. Sinnvollerweise wird er sich für das Gericht entscheiden, welches er schneller erreichen kann.

Tipp „Gericht auswählen bei Homeoffice“:

Wer im Homeoffice (z. B. in Hamburg) arbeitet und dort den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit hat, kann die Klage bei dem Arbeitsgericht einreichen, welches örtlich für seinen Wohnort zuständig ist (im Beispiel: Arbeitsgericht Hamburg), auch wenn der Arbeitgeber seinen Sitz ganz woanders hat.

Welches Gericht für welchen Ort zuständig ist, kann im Internet z. B. unter www.gerichtsstand.net ermittelt werden.

4. Wie wird eine Kündigungsschutzklage eingereicht?

Die Digitalisierung greift auch bei Anwälten und Gerichten langsam um sich:

Wer einen Anwalt mit der Klagerhebung beauftragt, muss sich keine Gedanken machen: Der Anwalt ist für die korrekte Klagerhebung zuständig. Er reicht die Klage elektronisch bei dem örtlich zuständigen Gericht ein – und zwar über sein besonderes elektronischen Anwaltspostfach (kurz: „beA“). BeA garantiert eine vertrauliche Datenübermittlung u.a. zwischen Anwälten und den Arbeitsgerichten. Wenn Sie so wollen, ist „beA“ ein spezielles E-Mail-System für u.a. Gerichte und Anwälte.

Wenn Sie keinen Anwalt beauftragen können oder wollen, haben Sie zwei Möglichkeiten:

a) Sie können entweder die Kündigungsschutzklage selbst mündlich beim Arbeitsgericht erheben. Dazu müssen Sie die Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts aufsuchen und Ihren Klagantrag nebst Begründung protokollieren lassen. Die Gerichtsmitarbeiter helfen in der Regel beim Formulieren und den Klaganträgen. Eine Stellvertretung ist bei Erteilung einer Vollmacht (beste Wahl: Eine notarielle Vorsorgevollmacht – dann soll der Bevollmächtigte aber daran denken, seine Ausfertigung mitzunehmen!) möglich.

b) Oder Sie verwenden die Vordrucke des Arbeitsgerichts, die bei Gericht schriftlich (also per Post oder durch persönlichen Einwurf im Gerichtsbriefkasten) eingereicht werden können.

Die Klage darf von Ihnen nicht per E-Mail eingereicht werden (Stand: 2023). So weit geht die Digitalisierung dann doch noch nicht.

Ob es empfehlenswert ist, sich in einer Kündigungsschutzangelegenheit selbst zu vertreten, ist ein anderes Thema (siehe dazu 5. Kündigungsschutzklage: Soll ich einen Anwalt beauftragen oder kann ich das selbst machen?).

5. Kündigungsschutzklage: Soll ich einen Anwalt beauftragen oder kann ich das selbst machen?

Diese Frage stellt sich nur in der ersten Instanz, d.h., wenn Sie mit einer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht an den Start gehen. In der ersten Instanz gibt es keinen Zwang, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen. Das bedeutet, Sie können sich selbst vertreten.

Ist das empfehlenswert? Fragen Sie einen Friseur, ob Sie zu ihm gehen sollen – oder ob Sie sich nicht selbst die Haare schneiden können – was wird er antworten? Klar, er wird mindestens sagen: Machen Sie nur, Sie werden sowieso zu mir kommen, um den laienhaften Eigenhaarschnitt korrigieren zu lassen.

Nun sind Anwälte keine Friseure. Friseure erstellen ein Werk („Haarschnitt“), wohingegen der Anwalt eine komplexe Dienstleistung erbringt. Viele Anwälte – und ich gehöre auch dazu – lehnen es grundsätzlich ab, in laufende Prozesse einzusteigen. Denn oftmals können etwaige Fehler nicht mehr korrigiert werden – und das Haftungsrisiko ist einfach zu groß. Ist das erlaubt? Ja, ist es. Anwälte dürfen frei entscheiden, welches Mandat sie annehmen.

Mit meinen über 25 Jahren Berufserfahrung als Rechtsanwalt habe ich eine klare Haltung zu diesem Thema: Ohne Frage, ein Anwalt kostet Geld. Man muss ihn sich leisten können und wollen. Wenn es nur um das Geld geht, gibt es immer Lösungen. (siehe dazu unten 6. Wie kann ich die Anwaltskosten finanzieren?). Dafür bekommen Sie als Mandant die fachliche Expertise des Anwalts, der verpflichtet ist, für Sie das Beste herauszuholen. Im Idealfall kann er sie auch moralisch aufbauen, wenn es erforderlich ist.

Kontaktieren Sie mich gern!

Sie haben Fragen oder wünschen sich eine Beratung?

Allerdings gibt es Menschen, die glauben, sie können alles selbst viel besser. Ich habe keine Mission, diese Menschen zu bekehren. Ich will an dieser Stelle nur etwas zu bedenken geben, was ich selbst schmerzhaft erfahren musste:

In eigener Sache ist man selten gut. Deswegen beauftragen in der Regel Anwälte andere Anwälte, wenn es um ihre eigenen Fälle geht. Warum? Weil derjenige, um den es geht, emotional betroffen ist. Er hat keine klare Sicht auf seinen Fall. Er fühlt sich im Recht. Daraus können viele Fehler (z.B. Signale des Gerichts werden übersehen oder fehlgedeutet; es wird zu viel Sachverhalt preisgegeben; der Gegner wird unterschätzt) entstehen, die einem emotional unbeteiligten Profi – also einem Rechtsanwalt– eher nicht unterlaufen.

Den richtigen Anwalt für die Kündigungsschutzklage finden

Wer einen Anwalt beauftragen will, hat die freie Wahl. Die Kunst besteht darin, nicht irgendeinen, sondern den richtigen Anwalt zu finden. Es spricht vieles dafür, einen Spezialisten zu beauftragen. Das wäre im Bereich Kündigungsschutz ein Fachanwalt für Arbeitsrecht. Aber jeder weiß: Anwalt ist nicht gleich Anwalt. An diesem Punkt können Sie u.a. in Ihrem persönlichen Umfeld auf Empfehlungen hören. Wer hat mit welchem Anwalt eine gute Erfahrung gemacht? Auch Rechtsschutzversicherungen empfehlen Anwälte. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Einen engagierten Anwalt zu finden, der auf die Bedürfnisse seines Mandanten eingeht, ist eine Herausforderung. Auch Empfehlungen können das nicht garantieren.

Vorsichtig sollte man insbesondere mit Mandatierungen im Familienkreis sein. So schön es ist, einen Anwalt in der Familie zu haben, so heikel kann sich die Zusammenarbeit auf beruflicher Ebene entwickeln. Es können falsche Erwartungen entstehen, und das kann sich negativ auf die Beziehung auswirken. Und es kann sein, dass einem Anwalt aus dem Familienkreis die notwendige Distanz zu dem Fall fehlt. Klare Absprachen können insoweit helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Das gilt insbesondere für die Vergütungsfrage. Diese Vorsicht ist sicherlich auch ratsam bei Mandatierungen im Freundeskreis. Wer will schon vor einem Scherbenhaufen einer freundschaftlichen Beziehung stehen, nur weil es keine klare Vereinbarung gibt?

Wenn Sie trotzdem das Wagnis eingehen wollen, sich selbst vor Gericht zu vertreten, sollten Sie einige wichtige Dinge beachten, die Sie in der Info-Box Nr. 7 nachlesen können.

Selbst die Kündigungsschutzklage bei Gericht einreichen

Wollen Sie die Kündigungsschutzklage mündlich vor dem Gericht erheben, informieren Sie sich über die Öffnungszeiten der Geschäftsstelle, bevor Sie vor verschlossener Tür stehen.

Und denken Sie daran: Wollen Sie die Klage schriftlich einreichen, vergessen Sie nicht zu unterschreiben. Ohne Unterschrift haben wir es nur mit einem Entwurf zu tun – und das ist gar nichts. Sollen Fristen eingehalten werden, kann sich dieser Fehler (Unterschrift vergessen) fatal auswirken.

Sie sollten der Kündigungsschutzklage auch die erforderlichen Anlagen wie z.B. Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen und – das Wichtigste! – das Kündigungsschreiben beifügen. Mit diesen Unterlagen beweisen Sie die „Basics“ Ihres Arbeitsverhältnisses. So kann sich das Gericht von der Existenz des Arbeitsverhältnisses, den getroffenen Vereinbarungen und der Gehaltshöhe ein objektives Bild machen.

Sollten Sie nach der Güteverhandlung das Gefühl haben, doch überfordert zu sein, ist es empfehlenswert, möglichst zügig einen Anwalt zu finden und zu beauftragen. Denken Sie daran, dass ein Quereinsteigen bei vielen Anwälten unbeliebt ist. Je eher Sie diese Entscheidung treffen, desto größer Ihre Chance, einen guten Anwalt für Ihren Fall zu gewinnen.

Die Gerichte halten Merkblätter für die Klagerhebung bereit, wo Sie sich weiter informieren können.

6. Wie kann ich meine Anwaltskosten bei einer Kündigungsschutzklage finanzieren?

Wer sich bei einer Kündigungsklage nicht selbst vertreten kann oder will, sondern lieber einen Rechtsanwalt mit seiner Interessenwahrnehmung beauftragen möchte, steht unweigerlich vor der Frage, wie er die Prozesskosten bezahlen möchte. Anwälte leben von Prozessvertretungen; die Frage nach der Vergütung für ihre Dienste ist von zentraler Bedeutung. So wie der Arbeitsvertrag ein Austauschverhältnis darstellt (Geld gegen Arbeit), ist es genauso beim Anwaltsvertrag (Dienstleistung gegen Vergütung).

a) Rechtschutzversicherung:

Wer eine Rechtschutzversicherung für den Bereich Arbeitsrecht hat oder bei einer solchen als Ehegatte/Lebensgefährte mitversichert ist, kann diese aktivieren. Erhalten Sie die Deckungszusage, übernimmt der Versicherer die entstehenden Kosten des Prozesses – und zwar ggf. unter Abzug einer sog. Eigenbeteiligung (häufig 250,00 EUR pro Rechtsschutzfall), wobei diese Eigenbeteiligung für alle Instanzen in dem Rechtsstreit gilt. Prüfen Sie daher, ob Sie eine Eigenbeteiligung vereinbart haben, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt.

Gehen Sie davon aus, dass Rechtsschutzversicherungen in jedem Fall der Inanspruchnahme zunächst prüfen, ob Sie überhaupt eintreten müssen. Dabei geht es in erster Linie um das Einhalten der sog. Wartefrist und den Eintritt des Versicherungsfalls. 

Die Wartefrist

In der Regel gilt im Bereich des Arbeitsrechts eine Wartefrist von drei Monaten. Das bedeutet, dass der Versicherer den Kostenschutz nicht schuldet, wenn zwischen Abschluss der Versicherung und dem Eintritt des Rechtsschutzfalls weniger als drei Monate vergangen sind. Prüfen Sie daher in den Vertragsbedingungen, welche Wartefrist für Sie gilt.

Der Rechtsschutzfall

Dieser liegt definitiv vor, wenn Sie als Versicherungsnehmer die Kündigung erhalten haben. Sie nehmen dabei den Standpunkt ein, dass der Arbeitgeber mit dem Ausspruch der Kündigung gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen hat. Der Versicherer könnte den Kostenschutz mit dem Hinweis auf die (angeblich) nicht eingehaltene Wartefrist verweigern. Wenn Sie einen Anwalt haben, lassen Sie die Stichhaltigkeit der Ablehnung prüfen. Sie sollten aber vorher mit dem Anwalt absprechen, ob er dafür eine Vergütung erwartet. Manchmal reicht ein „scharfer“ Brief des Anwalts, um die Deckungszusage doch noch zu bekommen.

Ich will an dieser Stelle nur auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hinweisen, der entschieden hat, dass für den Eintritt des Rechtsschutzfalles allein maßgeblich ist, welchen Verstoß der Versicherungsnehmer seinem Gegner im Prozess vorwirft. Bei einer Kündigungsschutzklage ist das die Kündigung – und eben nicht die vorherige Abmahnung, die vielleicht noch innerhalb der Wartefrist liegt, vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2019 – IV ZR 111/18.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen? Die Antwort ist klar: Mehr als drei Monate, bevor Ihnen die Kündigung übergeben worden ist (= Eintritt des Versicherungsfalls). Das ist der Idealfall.

Nun ist nicht immer alles ideal im Leben. Falls Sie keine Rechtsschutzversicherung haben, kann es sein, dass Sie durch die Ankündigung einer Kündigung aufgeschreckt werden. Doch in solchen Fällen dürfte es wegen der Wartefrist für den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung häufig zu spät sein.

Nun kann niemand die Zukunft präzise vorhersagen. Hören Sie daher auf Ihr Bauchgefühl. Hinterfragen Sie selbstkritisch, ob es im Betrieb Veränderungen gibt, die sich auf Ihren Arbeitsplatz nachteilig auswirken könnten. Das können auch veränderte Marktbedingungen sein. Wenn neue Gesellschafter einsteigen und/oder ein Generationenwechsel in der Chefetage ansteht, können Sie davon ausgehen, dass „die Neuen“ einiges anders machen wollen. Sie kennen den Spruch: Neue Besen kehren gut. Das kann theoretisch auch bei Ihnen die Kündigung bedeuten.

Oder gibt es sogar schon erste Anzeichen für Konflikte am Arbeitsplatz oder Unzufriedenheiten des Chefs? Wer bereits eine Abmahnung erhalten hat, kann davon ausgehen, dass der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung vorbereitet; höchste Zeit also zu handeln und sich zumindest einmal über Rechtsschutzversicherungen zu informieren! (siehe dazu unten: 11. Welche Kündigungsgründe gibt es?)

Das Leben hält viele Stolpersteine parat. Dazu gehören auch nicht bezahlte Rechnungen. Ich habe mal einen Mandanten gehabt, der mich mit einer Kündigungsschutzklage beauftragt hatte. Auf die Frage nach einer Rechtsschutzversicherung antwortete er freudestrahlend mit einem „Ja“. Dann stellte sich leider heraus, dass der Mandant vergessen hatte, die laufende Versicherungsprämie zu zahlen. Der Versicherungsschutz war längst erloschen. Nun musste er die Kosten für die anwaltliche Vertretung selbst aufbringen; ungewollt war er zum „Selbstzahler“ geworden.

b) Der Selbstzahler:

Wenn keine Rechtschutzversicherung den Kostenschutz übernimmt, sind Sie im Anwaltsjargon grundsätzlich „Selbstzahler“. Der Anwalt rechnet mit Ihnen seine gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsvergütungsgesetz (RVG) ab. Das schließt das Recht, angemessene Vorschüsse zu verlangen, ein.

Einige Anwälte schließen mit ihren Mandanten gesonderte Honorarvereinbarungen ab, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgehen. Lassen Sie sich daher eine etwaige Honorarvereinbarung genau erklären, damit Sie keine böse Überraschung erleben. Sie sollten auch für sich prüfen, ob Sie die zu erwartenden Honorarforderungen bezahlen können. Zwar besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, die Anwaltskosten mit einer Abfindung zu bezahlen. Was ist aber, wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllt? Denken Sie daran, dass Sie für das erfolgreiche Aushandeln einer Abfindung keine Garantie haben: Es gibt leider Arbeitgeber, die sich nicht oder nur zu völlig inakzeptablen Bedingungen einigen wollen. 

Wer weiß, dass er die Anwaltskosten bei einer Kündigungsschutzklage nicht bezahlen kann, aber trotzdem einen Anwaltsvertrag abschließt und demzufolge seinen Anwalt umsonst arbeiten lässt, haut denjenigen, der ihm mit Rat und Tat unterstützend zur Seite steht, in die Pfanne. Aber nicht nur das! Er könnte sich damit eines Betruges („Eingehungsbetrug“) schuldig machen. Das ist keine Bagatelle, sondern eine Straftat. Bei Betrug handelt es sich ein sog. Vorsatzdelikt. Für Vorsatz reicht es aus, wenn der Honorarausfall des Anwalts billigend in Kauf genommen wird. Wer diese Schwelle gedanklich überschreitet, geht ein hohes Risiko ein: Ein Betrug kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

c) Die Prozesskostenhilfe:

Offenheit ist Trumpf in der Zusammenarbeit mit dem Anwalt – und die unverzichtbare Basis für den gemeinsamen Erfolg. Können Sie die finanziellen Mittel für einen Prozess vor dem Arbeitsgericht nicht aufbringen, scheuen Sie sich nicht, mit offenen Karten zu spielen und diese Problematik mit Ihrem Anwalt zu besprechen. Sie können in dieser Situation Prozesskostenhilfe – im Anwaltsjargon kurz „PKH“ genannt – beantragen. Dabei handelt es sich um Sozialhilfe im Rahmen der Prozessführung.

Freilich müssen Sie insoweit gegenüber Ihrem Anwalt und dem Gericht Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse korrekt angeben und nachweisen. Der Anwalt ist auch insoweit zur Verschwiegenheit verpflichtet; dem Arbeitgeber als Prozessgegner werden Ihre Angaben nicht ohne Ihre Zustimmung mitgeteilt. Allerdings erfährt er, dass Sie den Antrag gestellt haben. Nicht wenige Arbeitgeber interpretieren in diesen Umstand etwas hinein, z.B. frohlocken sie, dass der Gekündigte nicht genügend finanzielle Mittel hat, um einen langen Prozess durchzustehen. Daraus kann zumindest ein psychologischer Vorteil entstehen.

Für Prozesskostenhilfe gibt es ein Antragsformular, bei deren Ausfüllung der kundenorientierte Anwalt behilflich ist. Im Regelfall wird die Prozesskostenhilfe bei Kündigungsschutzklagen gewährt, sofern die Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig ist. Gleichzeitig wird Ihnen Ihr Anwalt beigeordnet. Auf diese Beiordnung können Sie im Kündigungsschutzprozess ohne weiteres vertrauen, weil meistens der Arbeitgeber auch durch einen Anwalt vertreten wird („Waffengleichheit“), und es zudem angesichts der Komplexität des Streitgegenstandes als erforderlich angesehen wird (z.B. bei reinen Vergütungsklagen, wo die Forderung unstreitig ist, wird das in der Regel anders bewertet).

Rechtsmittel gegen eine verweigerte Prozesskostenhilfe ist die sofortige Beschwerde. Die Frist beträgt einen Monat.

Rund um die Prozesskostenhilfe ranken sich verschiedene praktische Probleme. So ist es wichtig, dass dem Gericht neben dem Antrag auch rechtzeitig alle maßgeblichen Unterlagen vorliegen. Das ist erfahrungsgemäß oft ein Problem. Spätestens bei Abschluss des Rechtsstreits müssen alle erforderlichen Unterlagen dem Gericht vorliegen. Ein bloßer Antrag ohne Anlagen reicht niemals für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus. Wer Prozesskostenhilfe haben möchte, darf sich in diesem Punkt keine Nachlässigkeiten erlauben.

Im Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe rechnet der Anwalt direkt mit der Landeskasse seine Anwaltsgebühren ab. Sie sollten wissen, dass das Gesetz auch den Anwälten eine Beteiligung an der Hilfe zumutet: Die gesetzlichen Gebühren des Anwalts („Regelgebühren“) werden im Rahmen der Prozesskostenhilfe grundsätzlich reduziert. Das bedeutet, dass auch Ihr Anwalt ein (finanzielles) Opfer erbringen muss.

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7. Werden mit der Prozesskostenhilfe alle Kosten einer Kündigungsschutzklage vom Staat getragen?

Das kann sein, muss aber nicht. Die Prozesskostenhilfe ist kein Freifahrtschein dafür, dass der Staat sämtliche Verfahrenskosten für alle Zeiten übernimmt. An dieser Stelle möchte ich mit vier weit verbreiteten Irrtümern aufräumen:

  • Erstens wird im Rahmen der Prozesskostenhilfe in den meisten Fällen eine Ratenzahlung bewilligt.
  • Zweitens umfasst die Prozesskostenhilfe niemals die gegnerischen Anwaltskosten. Da im Arbeitsrecht in erster Instanz jede Partei ihre Anwaltskosten selbst trägt, spielt dieses Risiko zunächst keine Rolle. Aber im Berufungsverfahren (zweite Instanz) werden die Kosten (Gerichtskosten und Anwaltskosten) wieder im Verhältnis Obsiegen/Unterliegen gequotelt. Dort besteht für den Fall der (teilweisen) Niederlage ein Kostenrisiko hinsichtlich der gegnerischen Anwaltskosten.
  • Drittens müssen Sie eine Abfindungszahlung teilweise für die Erstattung der Prozesskostenhilfe verwenden – mit Ausnahme eines Freibetrages und eines Abschlags für Bewerbungskosten. Freibetrag und Abschlag belaufen sich bei einer erwachsenen Einzelperson zusammen auf 7.600 EUR (LAG Nürnberg, 16.04.2019 – 2 Ta 31/19).
  • Viertens müssen Sie vier Jahre lang gerechnet ab Prozessende Rechenschaft über Ihren Wohnort und Ihre Vermögensverhältnisse ablegen. Sollten Sie umziehen und /oder sich Ihre Einkünfte in diesem Zeitraum wesentlich verbessern, müssen Sie das Gericht unverzüglich und unaufgefordert informieren. Die Verbesserung kann auch darin bestehen, dass bei Ihnen Unterhaltsverpflichtungen wegfallen oder sich Mietkosten reduzieren. Erst nach vier Jahren wären Sie „durch“. Wenn Sie bei dieser Verpflichtung nicht sorgfältig sind, müssen Sie damit rechnen, dass die Prozesskostenhilfe aufgehoben wird. Ihr Anwalt kann dann auch nachträglich die (höheren) Regelgebühren verlangen.

Die Verbesserung Ihrer Vermögenslage kann auch dazu führen, dass Sie die geleistete Hilfe ganz oder teilweise zurückzahlen müssen.

Weitere nützliche Informationen zum Thema Prozesskostenhilfe finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz unter www.bmj.de.

Ferner gibt es im Internet sog. PKH-Rechner, mit deren Hilfe Sie ausrechnen lassen können, ob und inwieweit Sie Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben.

8. Bis wann kann eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden?

a) Arbeitsrecht ist schnelles Recht. Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen erhoben werden. Das nennen die Juristen eine Klagefrist. Es handelt sich dabei um eine spezielle Frist, die nicht verlängert werden kann.

Vorsicht, Verwechselungsgefahr!

Die Klagefrist ist nicht zu verwechseln mit der Kündigungsfrist. Die Klagefrist beschreibt die Frist, innerhalb derer eine Klage bei Gericht eingereicht werden muss. Die Kündigungsfrist ist hingegen die Frist, zu der der gekündigte Vertrag enden wird.

Die Klagefrist beginnt mit Zugang der schriftlichen Kündigung bei dem Gekündigten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Gekündigte die Kündigung („Willenserklärung“ des Kündigenden) tatsächlich liest, sondern lesen kann. Dafür reicht es z.B. aus, dass die Kündigung in den Briefkasten des Gekündigten eingeworfen wird. Die Juristen beschreiben das wie folgt: Eine Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Erklärungsempfängers (hier: des Gekündigten) gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu erlangen.

Um den genauen Zeitpunkt des Zugangs wird in einigen Fällen heftig gestritten. Denn dieser Zeitpunkt wirkt sich nicht nur auf die Klagefrist aus, sondern auch auf die Kündigungsfrist, siehe im E-Book das Kapitel „Was unterscheidet eine ordentliche fristgerechte Kündigung von einer außerordentlichen fristlosen Kündigung?“.

E-Book: Das Einmaleins des Kündigungsschutzes

Was Sie unbedingt wissen sollten, wenn Sie die Kündigung von Ihrem Arbeitgeber erhalten

Beispiel: Ihr Arbeitsverhältnis besteht seit zweieinhalb Jahren. Es gilt eine gesetzliche Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Wenn der Arbeitgeber z.B. per Boten die Kündigung am 30.09. um 23 Uhr in Ihren Briefkasten einwirft, fingiert das Gesetz den Zugang der Kündigung am nächsten Tag (01.10.), weil niemand unter normalen Umständen um 23 Uhr zum Briefkasten geht. Der Zugang am 01.10. führt dazu, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht am 31.10., sondern erst am 30.11. enden wird. Klingelt Ihr Arbeitgeber Sie um 23 Uhr aus dem Bett und drückt Ihnen an der Tür die Kündigung in die Hand, wäre der Zugang aus Sicht des Arbeitsgebers noch rechtzeitig am 30.09. erfolgt.

Nach dem Bundesarbeitsgericht erfolgt bei einem Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten der Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist, vgl. BAG, Urteil vom 22.08.2019 – 2 AZR 111/19. Dabei geht es nicht um die individuellen Verhältnisse des Empfängers, der vielleicht nur einmal in der Woche seinen Briefkasten entleert. Das Gericht muss also herausfinden, welche Postzustellung vor Ort „normal“ ist.

Einige Arbeitnehmer sind sehr einfallsreich, um den Zugang zu verhindern. Da werden Briefkästen abgeschraubt, Einschreiben werden nicht abgeholt oder man läuft einfach weg, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung in der Hand anmarschiert kommt. Je nach Sachlage kann es sich um eine vorsätzliche Zugangsvereitelung handeln. Die Folge wäre, dass die Zustellung fiktiv angenommen werden würde. Ich persönlich halte von solchen Mätzchen nichts. Im Gegenteil. Vielleicht kann man für sich einen kleinen Vorteil herausholen (z.B. die Kündigungsfrist verlängern). Häufig steht aber der zu erwartende Vorteil in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den dieses Verhalten anrichten kann. Wenn Sie also gerade dabei sein sollten, ihre Namensschilder von der Haustür und Briefkastenanlage zu demontieren, überlegen Sie sich diese Aktion noch einmal. Sie könnten das „Vergleichsklima“ nachhaltig beschädigen und somit ein Eigentor schießen. Wenn es Ihnen um einen Vergleich geht, sollte Ihnen das Vergleichsklima einiges wert sein. Denn Sie wollen vielleicht noch im Laufe des Prozesses etwas von dem Arbeitgeber – und zwar eine Einigung. Ein durch unlautere Zugangsvereitelungen verärgerter Arbeitgeber wird mitunter gar nicht mehr vergleichsbereit sein – oder nur zu schlechteren Bedingungen.

b) Wer die Klagefrist versäumt, steht schlecht dar: Die Kündigung ist nach Ablauf der drei Wochen grundsätzlich unangreifbar. Das bedeutet, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis zu der in dem Kündigungsschreiben genannten Frist beenden wird – und Sie können nichts mehr dagegen tun. Nur in absoluten Ausnahmefällen kommt eine nachträgliche Klagzulassung in Frage. (siehe unten 9. Was kann ich machen, wenn ich die Klagefrist versäumt habe?)

Es ist daher unerlässlich, dass die Klagefrist korrekt berechnet wird. Für den Beginn der Frist ist maßgebend der Zugang des Kündigungsschreibens bei dem Gekündigten.

Und es ist wichtig, immer alle Schreiben, die man von dem Arbeitgeber bekommt, unverzüglich daraufhin zu prüfen, ob nicht in ihnen eine Kündigungserklärung enthalten ist. Einige Arbeitgeber verstecken diese sogar mitten im Text. Das ist zwar nicht die feine Art, aber es kommt immer mal wieder vor.

Tipp „Klagefrist berechnen“:

Sie haben an einem bestimmten Tag die Kündigung bekommen, sagen wir an einem Montag (= erster Tag der Klagefrist). Nehmen Sie sich eine Kalenderübersicht mit dem laufenden Monat und dem Folgemonat, wo die Wochentage untereinander aufgeschrieben sind. Wandern Sie jetzt mit dem Finger drei Montage nach unten: Das ist der letzte Tag der Klagefrist, d.h. an dem Folgetag (ein Dienstag) ist es für die Klage bereits zu spät.

Beispiel: Ihnen ist am Montag, den 04.09.2023, das Kündigungsschreiben zugegangen (z.B. durch Einwurf in den Briefkasten oder persönliche Übergabe). Letzte Chance, die Kündigungsschutzklage bei Gericht einzureichen, ist also am Montag, den 25.09.2023 bis 24:00 Uhr. Am Dienstag, den 26.09.2023 um 0:00 Uhr ist es schon zu spät: Die Klagefrist ist abgelaufen.

Tipp „Die Klagefrist und mein Urlaub überschneiden sich – was nun?“:

Es gibt im Leben viele ärgerliche Dinge – dazu gehört auch die Zustellung von wichtigen Schreiben zur Unzeit. Nehmen wir an, Sie sind so gut wie auf dem Weg zum Flughafen. Auf Sie warten vier Wochen Strandurlaub im Süden. Gerade, als Sie Ihre Badehose im Koffer verstauen wollen, klingelt es an der Tür – und der Postbote überreicht Ihnen den Einschreibebrief mit der Kündigung. Damit beginnt die dreiwöchige Klagefrist. Wenn Sie in vier Wochen von der Urlaubsreise zurückkommen, ist es zu spät. Was nun? Keine Panik: Sie können die Kündigung einscannen, ebenso den Arbeitsvertrag und die letzte Abrechnung – und alles dem Anwalt Ihres Vertrauens per E-Mail übermitteln (geht alles innerhalb von wenigen Minuten mit dem Smartphone) – verbunden mit dem Auftrag, fristwahrend Klage nach Rücksprache einzureichen. Ob Chancen für die Kündigungsschutzklage bestehen, können Sie in aller Ruhe vom Urlaubsort mit dem Anwalt klären – WLAN sei Dank! Wichtig ist nur, dass Sie mithilfe des Anwalts die Klagefrist einhalten, sofern Sie sich für die Klage entscheiden.

Wer länger verreist, weiß natürlich nicht, was für Post bei ihm während seiner Abwesenheit eintrudelt. Daher empfiehlt es sich, eine Vertrauensperson zu bevollmächtigen, nicht nur die Blumen zu gießen, sondern auch die Post alle paar Tage zu öffnen. Der Bevollmächtigte kann so feststellen, ob Fristen eingehalten werden müssen und ggf. die geeigneten Maßnahmen ergreifen. Für diejenigen, die monatelang ortsabwesend sind, ist das sogar unerlässlich, weil die nachträgliche Klagzulassung nach sechs Monaten – gerechnet ab Versäumung der Klagefrist – ausgeschlossen ist (siehe hier unten 9. Was kann ich machen, wenn ich die Klagefrist versäumt haben?).

9. Kündigungsschutzklage: Was kann ich machen, wenn ich die Klagefrist versäumt haben?

Auf keinen Fall die Flinte ins Korn werfen! Denken Sie daran: Wer nicht kämpft, der hat schon verloren. Sie sollten stattdessen einen kühlen Kopf bewahren und unverzüglich prüfen, ob Sie einen Antrag auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage erfolgsversprechend stellen können (§ 5 Kündigungsschutzgesetz). Im Ausnahmefall kann das gelingen. Allerdings sind die Anforderungen hoch.

Hintergrund ist folgender: Eigentlich ist mit Versäumung der Klagfrist alles vorbei. Das hat der Gesetzgeber aber in bestimmten Konstellationen als unfair angesehen – und daher bekommt derjenige, der die Frist verpasst, noch eine Chance. Das Gericht kann ihm bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Klage nachträglich gestatten.

Diese nachträgliche Zulassung der Klage muss im Klagantrag enthalten sein – und sie muss begründet werden. Es muss im Einzelnen erklärt werden, von welchem Zugangsdatum der Arbeitgeber ausgeht – und warum der Arbeitnehmer an diesem Tag keine Kenntnis von der Kündigung erlangt hat. Es muss weiter vorgetragen werden, wann dieses Hindernis der rechtzeitigen Kenntnisnahme beseitigt war. Diese Erklärungen müssen glaubhaft gemacht werden. Das übliche Mittel dafür ist die eidesstattliche Versicherung durch den Gekündigten selbst und/oder eines Dritten (z.B. der Ehegatte).

Für den Antrag auf nachträgliche Zulassung gibt es eine Antragsfrist von zwei Wochen. Diese Frist kann nicht verlängert werden. Sie beginnt in dem Moment, wo das Hindernis der Kenntnisnahme behoben ist. Eile ist also geboten.

Beispiel: Der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer in einem mehrwöchigen Urlaub ist. Nach Abreise lässt der Arbeitgeber durch einen Boten ein Kündigungsschreiben in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwerfen. Nach seiner Urlaubsrückkehr entdeckt der Arbeitnehmer, dass ihm vor mehr als drei Wochen die Kündigung zugegangen ist. Bei einer solchen Konstellation bestehen sehr gute Chancen, dass das Gericht die Kündigungsschutzklage nachträglich zulässt.

Aber: Hätte der Arbeitnehmer bei einem zumutbaren, sorgfältigen Verhalten früher von der Kündigung Kenntnis erlangen können (z.B. hat er die Klagefrist deswegen nicht eingehalten, weil er den Brief nicht geöffnet hat = unsorgfältiges Verhalten), wird der Antrag abgelehnt. Dagegen kann Berufung eingelegt werden.

Wenn seit der Versäumung der Klagefrist mehr als sechs Monate vergangen sind, ist die nachträgliche Klagzulassung ausgeschlossen (§ 5 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz). Wer also mehrere Monate verreist ist, sollte dafür sorgen, dass er von seiner Post Kenntnis nehmen kann, um rechtzeitig die geeigneten Maßnahmen ergreifen zu können.

Tipp „Niemals aufgeben“:

Ich wiederhole es an dieser Stelle gerne: Wer nicht kämpft, der hat schon verloren. Allerdings ist die nachträgliche Klagzulassung ein „heißes Eisen“, die ohne anwaltliche Hilfe kaum gelingen wird. Ihre Aussicht auf einen Deal mit dem Arbeitgeber reduziert sich auf null, wenn die nachträgliche Klagzulassung misslingt. Die Kündigung ist dann unangreifbar – und das Arbeitsverhältnis endet zu dem in der Kündigung angegeben Datum. Vielleicht entgeht Ihnen so eine hohe Abfindung. Es kann im Einzelfall um zehntausende Euro und mehr gehen. Nehmen Sie daher die sorgfältige Begründung der nachträglichen Klagzulassung nicht auf die leichte Schulter. Ich persönlich halte eine anwaltliche Vertretung in diesem Fall für unerlässlich.

10. Wie hoch sind meine Chancen bei einer Kündigungsschutzklage?

Beschäftigen wir uns zunächst damit, wie Ihre Erfolgschancen garantiert 0 % betragen:

Wenn Sie keine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung einlegen, wird diese grundsätzlich unangreifbar – und ihr Arbeitsverhältnis, egal, wie lange es gedauert hat und wie sehr Sie im Recht sind, endet zu dem in der Kündigung genannten Datum. Eine Abfindung bekommen Sie dann in der Regel nicht.

Aber es gibt keine Regel ohne Ausnahme. Es gibt zwei Konstellationen, wo Sie auch ohne Kündigungsschutzklage eine Abfindung erhalten:

  • Es gibt einen Sozialplan, den ihr Arbeitgeber mit dem Betriebsrat verhandelt hat, und dieser spricht Ihnen einen Abfindungsanspruch zu. Die Berechnungsformel steht im Sozialplan.
  • Oder Sie haben eine spezielle Kündigung erhalten, die als „§ 1a-Kündigungsschutzgesetz-Kündigung“ (kurz: „1a-Kündigung“) bezeichnet wird. In dieser 1a-Kündigung verspricht Ihnen der Arbeitgeber eine Abfindung für den Fall, dass Sie keine Kündigungsschutzklage einlegen.

Nun muss man Folgendes wissen: Wenn Sie einen Anspruch aus einem Sozialplan haben, können Sie ohne jedes Risiko mit einer Kündigungsschutzklage versuchen, noch mehr herauszuholen. Wenn Sie den Prozess verlieren sollten, würden Ihnen trotzdem die Ansprüche aus dem Sozialplan erhalten bleiben.

Anders bei der 1a-Kündigung: Wer Kündigungsschutzklage erhebt, hat damit das Angebot des Arbeitgebers auf die Abfindung abgelehnt; das Angebot ist damit hinfällig geworden. Das bedeutet nicht, dass er im Laufe des Prozesses vielleicht einen noch besseren Deal abschließen kann oder der Arbeitgeber das Angebot wiederholt. Alles ist möglich. Nur hat der Gekündigte keinen Anspruch mehr darauf. Wenn Sie so wollen, wird durch die Klage aus der 1a-Kündigung eine „normale“ Kündigung. Deshalb muss man sich in diesem Fall eine Klage doppelt gut überlegen.

Wenn einer dieser beiden Ausnahmefälle nicht vorliegt, empfiehlt sich für den Arbeitnehmer eigentlich immer eine Kündigungsschutzklage. Warum? Die Statistik beweist, dass Kündigungsschutzklagen in den meisten Fällen zu einer Verbesserung der Bedingungen aus Sicht des Arbeitnehmers führen. Die Chance beträgt ca. 9:1.

Welche Chancen habe ich mit der Kündigungsschutzklage?

Nur knapp 10% der eingereichten Klagen enden durch Urteil (darin enthalten sind auch die klagstattgebenden Urteile). Ca. 90% aller Prozesse werden durch Vergleich erledigt. Und jeder Vergleich enthält einen Deal, der dem klagenden Arbeitnehmer fast immer einen Vorteil bietet – und sei dieser noch so klein. In vielen Fällen gelingt es dem Arbeitnehmer sogar, im Rahmen eines Vergleichs von dem Arbeitgeber eine Abfindung zu bekommen.

Aufgrund meiner langjährigen Berufserfahrung kann ich Ihnen von Fällen berichten, wo Arbeitnehmer selbst bei den haarsträubendsten Sachverhalten einen guten Deal mit dem Arbeitgeber abschließen konnten.

Dazu ein Fall aus meiner Praxis:

Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, während der Arbeitszeit einen anderen Mitarbeiter in der Produktionshalle verprügelt zu haben. In erster Instanz (Arbeitsgericht) ging der Prozess verloren, aber in der Berufungsinstanz (Landesarbeitsgericht) drehte sich das Blatt, weil dort die Richter eine vorangegangene Provokation durch das „Opfer“ für erwiesen hielten und damit den Fall anders bewerteten als die Vorinstanz. Der Arbeitgeber war daraufhin bereit, sich zu einigen, und ich konnte für den Arbeitnehmer eine namhafte Abfindung herausverhandeln. Ohne die Kündigungsschutzklage hätte er diese nicht bekommen. Sein (unser) Durchhaltevermögen hatte sich also bezahlt gemacht.

Trotzdem sollten Sie sich immer wieder die Frage nach der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit bei einer Klagerhebung fragen:

Soll ich gutes Geld dem schlechten Geld hinterherwerfen?“

Wenn es keine hinreichenden Chancen auf einen Sieg oder zumindest einen Vergleich gibt, sollte die Klagerhebung gut überlegt sein. Die Chancen sehen eher mau aus, wenn der Betrieb, in dem Sie arbeiten, komplett dichtgemacht wird. Schlecht sind auch Ihre Chancen, wenn Sie seit mehr als drei Jahren nonstop arbeitsunfähig krankgeschrieben sind – und Sie keine positive Gesundheitsprognose haben. Und wenn Sie nachweislich eine Straftat zulasten des Arbeitgebers begangen haben, sind die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage auch nicht rosig. Beurteilen kann das aber nur ein Anwalt mit entsprechender Berufserfahrung.Allerdings soll das nicht bedeuten, dass in solchen vermeintlich eindeutigen Konstellationen Ihre Chancen gleich Null sind. Im Gegenteil:

Chancen auf einen Vergleich oder einen Sieg gibt es immer!

Doch diese können so klein sein, dass bei einer vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtung eher von einer Kündigungsschutzklage abzuraten ist. Eine anwaltliche Beratung ist insoweit in meinen Augen unverzichtbar. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, die die Kosten des Prozesses übernimmt, hat insoweit vielleicht mehr Risikobereitschaft.

11. Welche Kündigungsgründe gibt es?

Es gibt drei Arten von Kündigungsgründen – und noch einen besonderen Vierten:

a) betriebsbedingt (Beispiel: Umstrukturierung im Betrieb dergestalt, dass bestimmte Arbeitsplätze wegfallen; im Extremfall: Betriebsschließung) – Mehr dazu hier → Fremdvergabe von Arbeitsaufgaben

b) personenbedingt (Beispiel: Der Arbeitnehmer ist gesundheitlich nicht mehr in der Lage, seine Arbeitsaufgaben zu erfüllen.) Mehr dazu hier → BEM und → krankheitsbedingte Kündigung

c) verhaltensbedingt (Beispiel: Der Arbeitnehmer begeht einen Diebstahl, indem er Geld aus der Bargeldkasse der Firma entwendet.)

d) Speziell für Vergleiche wurde in der Praxis ein vierter Kündigungsgrund erfunden, um dem Arbeitnehmer bei einer ursprünglich verhaltensbedingten Kündigung eine goldene Brücke zu bauen: betrieblich.

Das ist ein Grund, der irgendwo zwischen betriebsbedingt und verhaltensbedingt liegt. Der verhaltensbedingte Grund wird im Vergleich fallengelassen, und die Parteien einigen sich auf „betrieblich“. Eine Sperrzeit bei der Agentur Arbeit wird bei einem betrieblichen Grund nicht ausgelöst. Daher ist dieser vierte Grund harmlos und ein für beide Seiten guter Kompromiss.

„Wofür ist der Kündigungsgrund wichtig?“

Ganz einfach. Je nachdem, um welchen der drei Kündigungsgründe a) bis c) es sich handelt, werden unterschiedliche Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung gestellt. Juristisch ausgedrückt: Es gibt für jeden Kündigungsgrund ein eigenes Prüfungsschema. Siehe auch Im E-Book das Kapitel 14. Wann ist eine ordentliche fristgerechte Kündigung unwirksam?

Mehr zum Thema finden Sie in meinem E-Book

12. Was unterscheidet eine ordentliche fristgerechte Kündigung von einer außerordentlichen fristlosen Kündigung?

13. Wann ist eine außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam?

14. Wann ist eine ordentliche fristgerechte Kündigung unwirksam?

15. Was ist ein Weiterbeschäftigungsanspruch?

16. Wie kann die Kündigungsschutzklage enden?

17. Was passiert, wenn die Kündigungsschutzklage vom Arbeitnehmer gewonnen wird?

18. Was passiert, wenn die Kündigungsschutzklage vom Arbeitnehmer verloren wird?

19. Wie wird ein Vergleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgeschlossen?

20. Was wird in einem Vergleich vor Gericht geregelt?

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Arnim Buck • Fachanwalt für Arbeitsrecht, Notar & Autor

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