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Pflichtteilsergänzungsansprüche für adoptierte Kinder – Ab wann gelten sie?

Arnim Buck Blog Artikel Adoption Pflichtteilsansprüche für adoptierte Kinder

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch (auch für adoptierte Kinder) schützt den Berechtigten

Ein Adoptivkind ist – wie die leiblichen Abkömmlinge des Erblassers – pflichtteilsberechtigt. Wenn der Erblasser zu Lebzeiten aus seinem Nachlass an einen Dritten einen Gegenstand (z.B. eine Immobilie) verschenkt, sieht das Gesetz in § 2325 Abs. 1 BGB für alle Pflichtteilsberechtigten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch vor, d.h., im Erbfall wird dem Nachlass dieser Gegenstand fiktiv hinzugerechnet – und nach der Summe wird der Pflichtteilsanspruch errechnet.

Beispiel: Nehmen wir in unserem Beispielsfall an, die Wohnung sei zum Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung 200.000 EUR wert gewesen. Verstirbt der Vater, wird er von seinen beiden Kindern, d.h. seiner Tochter und dem Adoptivsohn, gesetzlich je zu ½ beerbt werden, sofern er nicht wieder heiratet. (Ob er ein Testament mit einer abweichenden Erbfolge errichtet hat, spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle.) Der Pflichtteil beider Kinder beträgt die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, also je ¼. Angenommen, der Nachlass beträgt zum Zeitpunkt des Todes des Vaters 400.000 EUR, würde der o.g. Wert der verschenkten Immobilie hinzugerechnet werden. Von der Summe (600.000 EUR) würde sich der Pflichtteilsanspruch des Sohnes berechnen. ¼ davon betrügen 150.000 EUR; darin stecken immerhin 50.000 EUR, die auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen der verschenkten Wohnung entfallen. Wie man sieht, kann es um namhafte Beträge gehen.

Pflichtteilsergänzungsanspruch: Die 10-Jahres-Frist

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch soll den Berechtigten (hier: den Adoptivsohn) schützen – und zwar vor „böslichen“ Schenkungen. Das Gesetz sieht aber vor, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch sich mit jedem Jahr, das vergeht, um 10 % reduziert (sog. pro-rata-Regelung), d.h., nach zehn Jahren erlischt dieser Anspruch (§ 2325 Abs. 3 BGB). Der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass nach zehn Jahren keine Benachteiligungsabsicht mehr gegeben ist. Maßgeblich bei Immobilienkaufverträgen ist der Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung, d.h. wenn der Erwerber im Grundbuch als Eigentümer eingetragen wird (BGH vom 02.12.1987 – IVa ZR 149/86).

Es stellt sich aber immer die Frage, ob diese 10-Jahres-Frist überhaupt wirklich zu laufen begonnen hat (mit dem Effekt der Reduzierung des Anspruches um 10% pro Jahr). Bei Schenkungen unter Ehegatten wird die Frage vom Gesetz beantwortet: Dort beginnt die Frist erst mit Auflösung der Ehe (§ 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB). Der Schachzug, eine Immobilie auf den Ehegatten zu übertragen, um „böse“ Kinder auszubooten, funktioniert also nicht.

Wie sieht es i.ü. aus? Das Gesetz schweigt. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Grundsatzurteil vom 27.04.1994 – IV ZR 132/93 für den Beginn dieser Frist die Regel aufgestellt, dass der Beschenkte auch in den wirtschaftlichen „Genuss“ des Geschenks gekommen sein muss. Dabei bewerteten die Richter den Umstand, dass der Beschenkte in das Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen worden ist, i.ü. wegen eines vorbehaltenen Nießbrauchs mit der Immobilie nichts anfangen konnte, als nicht ausreichend. In diesem Fall sei der Leistungserfolg im Sinne des § 2325 Abs. 3 BGB nicht eingetreten. Etwas anderes kann gelten, wenn sich der Schenkende nur ein Wohnungsrecht (= beschränkt persönliche Dienstbarkeit) an einem Teil der Immobilie vorbehält. Der Schenkende (der Überlasser) wäre nicht mehr „Herr im Haus“ (BGH vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15 Rn. 16).

Zurück zu unserem Beispiel: Angesichts der Tatsache, dass sich der Vater einen lebenslangen, den Lauf der 10-Jahres-Frist hindernden Nießbrauch an dem Wohnungseigentum vorbehalten hat, ist die Sorge der leiblichen Tochter absolut berechtigt, dass im Erbfall ihr zukünftiger Adoptivbruder einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen wird. Übrigens würde sich dieser Anspruch in erster Linie gegen den Erben richten; aber sie würde auch sekundär als Beschenkte haften (§ 2329 Abs. 1 BGB).

Sonderfall Adoption („nachrückender Abkömmling“)

Der aufmerksame Leser wird jetzt denken: Moment mal! Der Adoptivsohn wäre doch zum Zeitpunkt der Schenkung noch gar nicht adoptiert sprich in einem Kindschaftsverhältnis mit dem Erblasser gewesen. Das ist zwar richtig. Diese Tatsache würde aber keine Rolle spielen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 23.05.2012 – IV ZR 250/11 für „nachrückende“ Enkel klargestellt, dass bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen dem Umstand der späteren Geburt kein Gewicht beizumessen ist. Maßgeblich ist für Abkömmlinge allein die Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls. Ob diese Rechtsprechung auch für „nachrückende“ Ehegatten gelten soll, wird in der juristischen Fachliteratur kontrovers diskutiert.

Lösung: Ein interessengerechter Pflichtteilsverzichtvertrag

Um die vorprogrammierten Konflikte in der Familie zu vermeiden, könnte gleichzeitig mit Beurkundung des Adoptionsantrags der zukünftige Adoptivsohn einen Pflichtteilsverzicht mit seinem Adoptivvater vereinbaren, der nur mit Zustimmung der Tochter wieder aufgehoben werden kann. Für eine weitere Beruhigung der Gemüter könnte ein Testament des Vaters sorgen, in dem das Adoptivkind vielleicht mit einem angemessenen Vermächtnis bedacht, i.ü. aber enterbt wird. Letztlich ist es Sache des Erblassers, wie er sein Testament gestaltet.

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Meine Person

+ Jahrgang 1968
+ Rechtsanwalt seit 1997
+ Fachanwalt für Arbeitsrecht seit 2001
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Arnim Buck • Fachanwalt für Arbeitsrecht, Notar & Autor

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