Der Fall
Die Arbeitgeberin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), stellte Ende Juni 2016 aufgrund eines mündlichen Arbeitsvertrages die Mitarbeiterin für 30 Wochenstunden ein. Am 09.11.2016 erhielt sie innerhalb der Probezeit die Kündigung. Das Besondere war, dass das Kündigungsschreiben nur von einem Gesellschafter unterzeichnet war. Die Mitarbeiterin wusste sich zu verteidigen: Sie erklärte am 14.11.2016 förmlich die Zurückweisung der Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde. Für sie war die Kündigung damit unwirksam (§ 174 BGB), weshalb sie Klage vor dem Arbeitsgericht erhob.
Wann die Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht unwirksam ist
(BAG, Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 147/19)
Böse Überraschung für den Chef: Seine Kündigungserklärung wurde von der betroffenen Mitarbeiterin nach fünf Tagen zurückgewiesen. Denn im Kündigungsschutz einer GbR als Arbeitgeber gelten besondere Bedingungen, die letztlich entscheiden, wann eine Kündigung unwirksam ist.
Wann besteht ein Zurückweisungsrecht nach § 174 BGB?
Dieses Zurückweisungsrecht gilt unmittelbar nur für das Handeln von Vertretern aufgrund einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht).
Beispiel: Ein Ehegatte behauptet, er sei von dem anderen Ehegatten per Generalvollmacht (= Rechtsgeschäft) bevollmächtigt worden, um eine Willenserklärung (z. B. Kündigungserklärung) für diesen abzugeben. Weder legt er dem Erklärungsempfänger (z. B. dem Mieter der Eheleute) eine Vollmacht seines Ehegatten vor, noch hat der vertretene Ehegatte den Mieter vorab über die Ermächtigung informiert. Der Erklärungsempfänger könnte unsicher sein, ob diese Vertretungsmacht wirklich besteht. Da das Gesetz ihm hierüber Nachforschungen ersparen will, erlaubt es eine unverzügliche Zurückweisung der Erklärung.
Die Richter bejahen eine entsprechende Anwendung dieses Zurückweisungsrecht auf Fälle mit einer vergleichbaren Unsicherheitslage. Bei Kapitalgesellschaften wie z. B. einer GmbH, die durch ein Organ (Geschäftsführer) vertreten werden, wird eine vergleichbare Unsicherheitslage verneint. Zum einen sind im Handelsregister die Vertretungsverhältnisse offen gelegt, zum anderen genießt dieses Register Vertrauensschutz.
Besteht bei einer GbR eine vergleichbare Unsicherheitslage?
Für eine GbR gibt es kein offizielles Register, aus dem sich die Vertretungsberechtigungen der einzelnen Gesellschafter ergeben könnten. Der Gesellschaftsvertrag ist öffentlich nicht bekannt. Kein Außenstehender kann überhaupt wissen, wer aktuell Gesellschafter ist. Daher bejahte das BAG für die Klägerin eine vergleichbare Lage, sodass für sie der Weg zu dem Zurückweisungsrecht offen war.
Wirksame Ausübung des Zurückbehaltungsrecht als Hürdenlauf
Die nächste Frage war, ob die Klägerin dieses Zurückbehaltungsrecht wirksam ausgeübt hatte. Laut BAG bestanden verschiedene Hürden. So darf durch das Zurückweisungsrecht keine unnötige Behinderung des Geschäftsverkehrs erfolgen. Die Richter verneinten dies, weil der allein geschäftsführungsberechtigte Gesellschafter seine Vertretungsmacht leicht auf zweierlei Art hätte nachweisen können: Entweder durch (auszugsweise) Vorlage des Gesellschaftsvertrages oder eben durch eine entsprechende Vollmacht seiner Mitgesellschafter. Auf diese Weise wären die Mitgesellschafter auch nicht gegen ihren Willen in die Geschäftsführung hineingezogen worden, sondern sie hätten nur den Nachweis ihrer Vollmachtserteilung organisieren müssen.
Ist eine Zurückweisung nach fünf Tagen unverzüglich?
Wenn der Erklärungsempfänger zurückweisen will, muss er es unverzüglich tun, also ohne schuldhaftes Zögern. Hier ließ sich die Klägerin fünf Tage Zeit. Das BAG hob in seiner Entscheidung hervor, dass eine wirksame Zurückweisung nach mehr als einer Woche nur noch unter besonderen Umständen möglich ist. Bei einer geringeren Zeitspanne müsse man von Fall zu Fall sehen. Im Fall der Klägerin sah das BAG die fünf Tage als noch unverzüglich an. Der Klägerin sei zuzugestehen, sich zunächst einmal rechtlich beraten zu lassen. Dafür benötige sie einen Termin bei einem Anwalt.
Das Zurückweisungsrecht war auch nicht durch ein vorheriges In-Kenntnis-Setzen der Klägerin durch die anderen Gesellschafter über die Alleinvertretungsberechtigung des geschäftsführenden Gesellschafters (§ 174 Abs. 2 BGB) ausgeschlossen worden. Dem Umstand, dass die anderen Gesellschafter im täglichen Geschäftsbetrieb für die Klägerin nicht sichtbar waren, reiche dafür nicht aus.
Treu und Glauben
Das BAG diskutierte in seinem Urteil auch, ob die Klägerin nicht durch ihr früheres Verhalten einen Vertrauenstatbestand gesetzt hatte, der der Ausübung des Zurückweisungsrechts entgegenstehen könnte (§ 242 BGB: Treu und Glauben). Ein solcher Vertrauenstatbestand könnte in der Vergangenheit dadurch gesetzt worden sein, dass die Klägerin ein vergleichbares Rechtsgeschäft ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde hingenommen hatte. Das sei nicht der Fall gewesen. Zwar habe sich der geschäftsführende Gesellschafter als Chef ausgeben bzw. während der Beschäftigungszeit Arbeitsanweisungen (§ 106 Gewerbeordnung) erteilt, die die Klägerin akzeptierte. Deshalb habe aber nicht von der Klägerin auf eine Vollmacht durch die anderen Gesellschafter geschlossen werden können, die zu einer Kündigung ermächtige.
Letzte Hürde: Anscheinsvollmacht
Das BAG stellte klar, dass eine etwaige Anscheinsvollmacht, die auf Gewohnheitsrecht beruht, nicht das gesetzliche Zurückweisungsrecht ausschließt, zumal sie allein dem Schutz des Erklärungsempfängers dient. Eine Anscheinsvollmacht passe hier nicht, weil dies gerade voraussetzen würde, dass die Klägerin auf einen etwaigen Rechtsschein vertraut hätte. Genau das Gegenteil sei der Fall gewesen.
Im Ergebnis hielt das BAG die Kündigung für unwirksam.
Fazit zum konkreten Fall, wann bei einer GbR als Arbeitgeber eine Kündigung unwirksam ist:
Aus Arbeitgebersicht: Auch im Fall der GbR (z. B. Anwalts- und Steuerberatersozietäten, Mehrärztepraxen) muss der handelnde Gesellschafter mit einer Zurückweisung seiner Willenserklärungen rechnen. Eine wichtige Erkenntnis aus diesem Urteil ist, dass es keine Rolle spielt, was der handelnde Gesellschafter über seine Vertretungsmacht seinen Mitarbeitern erzählt. Er kann noch so oft behaupten, er sei alleinvertretungsberechtigt – am Ende nützt ihm das nichts. Es zählt nur der konkrete Nachweis der Vertretungsberechtigung. Er sollte daher z. B. bei Ausspruch einer Kündigungserklärung seine Vollmacht im Original beifügen. Am sichersten ist es jedoch, wenn alle Gesellschafter das Kündigungsschreiben unterzeichnen.
Aus Arbeitnehmersicht: Es gilt den Hürdenlauf zu meistern, insbesondere die Zurückweisung sorgfältig zu formulieren und die Unverzüglichkeit zu wahren. Beides entpuppt sich häufig als Schwachstelle – und damit als erfolgversprechende Angriffsflächen für den Arbeitgeber.
Sie sind vielleicht in einer ähnlichen Situation? Sie wollen beim Kündigungsschutz in einer GbR als Arbeitgeber keine Fehler machen oder möchten wissen, ob und wann ihre Kündigung unwirksam ist?